Merken

Krankgeschrieben und ausspioniert

Ein Chef setzt einen Detektiv auf eine Beschäftigte an, um zu prüfen, ob sie wirklich krank ist. Durfte er das?

Teilen
Folgen
© dpa

Von Annett Gehler

Erfurt. Eine Frau verlässt einen Waschsalon, ein anderes Mal liebkost sie einen Hund oder wartet an einem Fußweg. Solche banalen Szenen aus dem Alltagsleben schafften es jetzt bis vor das höchste deutsche Arbeitsgericht. Denn es waren heimliche Aufnahmen eines Detektivs, der eine kranke Sekretärin in Münster beschattet hatte. Im Auftrag ihres Chefs, der an dem Bandscheibenvorfall seiner Mitarbeiterin zweifelte, hatte der private Ermittler die Frau an vier Tagen im Februar 2012 beobachtet – auch mit der Videokamera.

„Keiner will sich auf eine derartige Weise observieren lassen“, sagte der Anwalt der Frau, Christian Bock, gestern in der Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Die Sekretärin, die inzwischen nicht mehr in dem kleinen Metallbetrieb arbeitet, hatte ihren Ex-Arbeitgeber auf 10 500 Euro Schmerzensgeld verklagt.

Die Observation habe nur einem Zweck gedient, meinte ihr Anwalt: einen lästig gewordenen Arbeitnehmer möglichst ohne Abfindung loszuwerden. „Meiner Mandantin geht es um Genugtuung.“ Diese bekam die Klägerin in der letzten Instanz allerdings nicht in dem von ihr erhofften Maß. Die obersten Arbeitsrichter erklärten zwar ihre Beobachtung durch einen Detektiv für unrechtmäßig. Jedoch gestand auch das Erfurter Gericht der Frau nicht mehr als die 1 000 Euro Schmerzensgeld zu, die bereits das Landesarbeitsgericht Hamm für angemessen hielt.

Der Spruch der Bundesrichter setzt dem Detektiveinsatz in der Arbeitswelt enge Grenzen – und gesteht Arbeitnehmern generell bei unerlaubten Überwachungen eine Entschädigung zu. Zur Höhe derartiger Zahlungen äußerte sich das Gericht aber nicht. Der Anwalt der Klägerin hatte sich auch ein klares Wort zu den Strafen bei derartigen Rechtsverstößen erhofft. Nur ein deutliches Sanktionsgeld sei ein Signal an alle Arbeitgeber, dass sie so nicht mit ihren Arbeitnehmern umgehen könnten, hatte Bock in Erfurt argumentiert.

Die Anwältin des verklagten Betriebs, Bettina von Buchholz, hielt dagegen: Arbeitgeber müssten auch künftig im Zweifelsfall die Möglichkeit zur Überprüfung von Krankschreibungen haben. „Kein Arbeitgeber macht sich die Entscheidung leicht, einen Detektiv einzuschalten, um eine Arbeitsunfähigkeit zu überprüfen“, erklärte von Buchholz. Denn im schlimmsten Fall für die Unternehmen würden die Gerichte eine Kündigung des betreffenden Mitarbeiters für unwirksam erklären. Dann kämen neben den Kosten für den Detektiv auch hohe Abfindungszahlungen auf die Firmen zu. (dpa)