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Krankentransport lässt Patienten stehen

Ein Weißwasseraner erhebt Vorwürfe gegen die Feuerwehr Hoyerswerda. Die dementiert.

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© dpa

Von Thomas Staudt

Hoyerswerda. Ein Fall, der mindestens zum Aufreger der Woche taugt und der Zweifel am Netz medizinischer Versorgung allgemein aufkommen lässt: Als Guntram H.* ungeduldig auf einen Krankentransport nach Hoyerswerda wartet, erlebt er eine böse Überraschung nach der anderen. Zunächst verspätet sich der Krankentransport um mehr als zwei Stunden.

Zwar wird die Verspätung telefonisch angekündigt, doch sollte der Transport gegen 13 Uhr erfolgen, vor Ort war der Wagen aber erst zwei Stunden später. Als die beiden Helfer endlich vor der Tür stehen, weigern sie sich, den Patienten mitzunehmen. Erste Vorbehalte äußern sie, als klar wird, dass sie Guntram H. bis zum Einsatzfahrzeug tragen sollen. Sie seien nur zu zweit, heißt es schlicht. Aber H. lässt sich nicht beirren. Er hat an diesem Tag einen Termin mit einem Oberarzt und will diesen wegen seiner Schmerzen unbedingt wahrnehmen. Er geht an Krücken und räumt ein, den Weg bis zum Transporter auch selbstständig zurücklegen zu können.

Die Helfer beraten sich, telefonieren und kommen dann mit der Botschaft zurück, sie könnten den Transport leider nicht durchführen. In seiner Not wendet sich Guntram H. an die Rettungsleitstelle in Hoyerswerda. Der Einsatzleiter zeigt Verständnis, reagiert sofort und schickt einen Rettungswagen aus Bad Muskau, der zu diesem Zeitpunkt gerade frei ist. Am späten Nachmittag kommt Guntram H. im Klinikum Hoyerswerda an und sitzt schließlich gegen 18 Uhr vor seinem Arzt. Zu diesem Zeitpunkt sind alle weiteren Behandlungstermine für den nächsten Tag ausgebucht. Guntram H. muss wieder warten. Er ist nervlich am Ende.

Der Weißwasseraner leidet an Krebs. Noch 2013 scheint die Krankheit überwunden. Drei Jahre später stellt der Physiotherapeut, der zu ihm in die Wohnung kommt, eine kronkorkengroße Schwellung am Becken fest. Der Krebs ist wieder da. Die Diagnose: unheilbar. Aber Guntram H. gibt nicht auf, findet einen Spezialisten in Dresden. Tatsächlich bringt die Operation in der Landeshauptstadt die Wende. Aber Guntram H. braucht danach erst einmal Gehhilfen. Er übersteht eine Thrombose und eine Lungenembolie. Eines Morgens kann er kaum aufstehen, ein Bandscheibenvorfall. Guntram H. holt sich bei seiner Hausärztin Schmerzmittel, die nicht helfen. Im Krankenhaus Weißwasser wird eine Computertomografie erstellt, die Behandlung soll in Hoyerswerda erfolgen. An diesem Punkt wird Guntram H. von den beiden Helfern alleingelassen.

Zuständig für den Transport ist die Feuerwehr Hoyerswerda, die dafür ausgerüstete Einsatzfahrzeuge, auch für Liegendtransporte vorhält. Der zuständige Fachbereichsleiter Dieter Kowark erklärt telefonisch, warum die beiden Kollegen richtig gehandelt haben: Auf dem Transportschein hätte angekreuzt sein müssen, dass Guntram H. Begleitung braucht. „Hätten die Kollegen den Patienten mitgenommen, wäre der Transport nicht versichert gewesen und wir wären auf den Kosten sitzengeblieben.“ Eine Erklärung, die nicht recht einleuchten will, wurde die Fahrt doch unternommen und die Fahrtkosten sind ohnehin aufgelaufen.

Auf Veranlassung der SZ bittet Dieter Kowark die beiden Helfer um eine Stellungnahme. Nachdem sie festgestellt hatten, dass der Transportschein falsch ausgestellt wurde, und klar war, dass ein nachtägliches Ankreuzen der Urkundenfälschung gleichkommen würde, telefonierten sie mit der zuständigen Hausarztpraxis. Die Ärztin war jedoch nicht erreichbar. Da das Leben des Patienten nicht bedroht, aber die Formalien nicht erfüllt waren, sahen sie keine Möglichkeit, den Transport durchzuführen. „Mir schien eher, die hatten keine Lust“, mutmaßt Guntram H.

Dieter Kowark nimmt die Kollegen in Schutz. Es handele sich um erfahrene und gut ausgebildete Mitarbeiter, sagt er und sieht die Schuld bei der Hausarztpraxis. Von Kliniken und Arztpraxen falsch ausgestellte Transportscheine seien keineswegs die Ausnahme, meint er. Man habe wohl einen Fehler gemacht, heißt es in der Praxis, als Guntram H. die Sache dort zur Sprache bringt. Gegenüber SZ will sich die Hausärztin nicht äußern und beruft sich auf die ärztliche Schweigepflicht.

Mittlerweile geht es Guntram H. wieder besser. Erzürnt ist er immer noch. Dass die beiden Helfer, ohne sich zu verabschieden, weggefahren sind, wurmt ihn. „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Er ist offenbar Opfer des Systems und von menschlichem Versagen geworden. Entschuldigt hat sich bei ihm bisher niemand. H.s Ehefrau ist entsetzt. „Ein Kreuzchen ist wichtiger als der Patient.“

* Name von der Redaktion geändert.