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Kran im Hinterhof

Die Marktgasse 12 wird saniert – eine technische Meisterleistung, noch bevor der erste Stein gesetzt worden ist.

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© Claudia Hübschmann

Von Udo Lemke

Meißen. Man kann das Fenster aufmachen und anfassen – es sind keine dreißig Zentimeter bis zu den riesigen Betongewichten, die den Kran stabilisieren. Das war absolute Maßarbeit, den 30 000 Kilogramm schweren und 36 Meter hohen Kran mit dem 30 Meter langen Ausleger in dem engen Hinterhof der Marktgasse 12 mit einem Autokran aufzubauen, buchstäblich hineinzuzirkeln.

Die Marktgasse 12, ein Stadthaus aus dem 19. Jahrhundert, ist viel höher als die mittelalterliche Bebauung am Kleinmarkt sonst.
Die Marktgasse 12, ein Stadthaus aus dem 19. Jahrhundert, ist viel höher als die mittelalterliche Bebauung am Kleinmarkt sonst. © Claudia Hübschmann
Das ungewöhnliche Tonnendach schließt das Seitengebäude ab.
Das ungewöhnliche Tonnendach schließt das Seitengebäude ab. © Claudia Hübschmann

Und Präzision wird auch in den kommenden Monaten gefragt sein, wenn der Kran auf engstem Raum Arbeitsmaterialien und Bauteile über den Dächern transportieren wird. Denn im Hinterhof soll ein abgerissenes dreistöckiges Haus durch einen Neubau ersetzt und später das vierstöckige Vorderhaus saniert werden.

Im Hinterhof des Hauses Marktgasse 12, gegenüber vom Kleinmarkt, hat 2013 die Elbe gestanden. Das Hinterhaus hatte Risse und war nicht mehr zu retten, erzählt Hausverwalterin Grit Kreul. Vom Chef der Unteren Denkmalbehörde, Andreas Christl, habe sie erfahren, dass das Areal in früheren Zeiten als Marktgelände genutzt worden ist. Die Leute haben Abfälle hingeworfen, die wurden zu Erde. „Wir mussten neun Meter lange Stützen für die Gründung des neuen Hinterhauses einbauen.“

Um künftig besser gegen eventuelle Hochwasser geschützt zu sein, wird es im Erdgeschoss des neuen Gebäudes keine Wohnungen geben, sondern Pkw-Stellplätze. In den beiden Läden im Vorderhaus wurde die Dielung durch Fliesen ersetzt, die wie Holzdielen aussehen. Künftig müssen nach einem Hochwasser die Fußböden nicht mehr herausgerissen, sondern nur noch gereinigt werden.

Die Arbeiten, die derzeit laufen, dazu gehört auch die Sanierung der Risse im Seitengebäude, werden über das Programm zu Schadensbeseitigung nach dem Hochwasser 2013 finanziert und sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. In welcher Form das Vorderhaus ausgebaut werden soll, ist noch unklar. Im Oktober werde es einen weiteren Termin mit der Denkmalpflege geben. Dann werde geklärt, in welchem Umfang Vier- bzw. Zwei-Raum-Wohnungen in der Marktgasse 12 entstehen können. „Die planerische Gesamtsumme des Objektes liegt bei 1,5 Millionen Euro“, so Grit Kreul. Ausführen wird die Arbeiten die Firma J & C Bau GmbH aus Diera-Zehren als Generalunternehmen.

Steigt man der Marktgasse 12 bis unters Dach, erlebt man eine Überraschung. Denn das Seitengebäude hat kein gewöhnliches Satteldach, sondern ein Tonnendach. Von hier aus ist die Frauenkirche zu sehen, die Albrechtsburg und die Altstadt, aber auch das andere Elbufer. Früher, als die Menschen in viel beengteren Verhältnissen lebten als heute, gab es auch in den Dächern Kammern und Zimmer, in denen gewohnt wurde. Davon ist heute nichts mehr zu sehen, nur die Tauben finden immer wieder einen Weg auf den Boden, auch wenn die Fenster peinlich exakt verschlossen werden.

Laut Auskunft des Stadtarchivs ist die Marktgasse 12 von einem Friedrich Eduard Pietsch, seines Zeichens Kaufmann und Wollhändler, 1829 errichtet worden. So ist es auch im Schlussstein über dem Eingang zu lesen. Umbaumaßnahmen erfolgten dann noch einmal 1883. Die Marktgasse ist mit ihren drei Stockwerken und dem ausgebauten Dachgeschoss eher untypisch für die Altstadt, gleichsam ein Zeichen des 19. Jahrhunderts in mittelalterlicher Umgebung.

Es gebe schon Anfragen für die Wohnungen, sagt Grit Kreul. Allerdings kann sie Interessenten noch nichts Genaueres sagen, bis die Absprachen mit der Denkmalpflege erfolgt sind. Fakt ist, dass die Sanierung der Marktgasse 12 das Altstadtbild vervollständigen wird. Und was den Kran betrifft, so ist seine Bedienung nicht ganz so schwierig: Denn er hat keine Kanzel, der Kranführer steuert ihn vom Boden aus mit einer Fernbedienung.