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Kraftvoll elegant

Der Dresdner SC begeistert mit einfach sagenhaften Darbietungen – und vier junge Männer ragen dabei heraus.

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© kairospress

Von Sven Geisler

Zierliche Akrobatinnen wirbeln durch die Luft und landen sicher in starken Jungenarmen, kleine Schmetterlinge flattern über den Bodenteppich, niedliche Hexen balancieren über den Balken. Es ist – dem Motto der Gala entsprechend – einfach sagenhaft, was die rund 160 Athleten der Abteilung Turnen des Dresdner SC den Zuschauern bieten: Choreografien voller Rhythmus, Kraft und Eleganz, schwierige Übungen und märchenhafte Tänze.

Auf dem Balken zeigen die Turnerinnen der Bundesliga-Mannschaft synchron einige Schwierigkeiten. Am 11. und 12.November turnen sie in Dresden in der Meisterschaft.
Auf dem Balken zeigen die Turnerinnen der Bundesliga-Mannschaft synchron einige Schwierigkeiten. Am 11. und 12.November turnen sie in Dresden in der Meisterschaft. © kairospress

Trotzdem ragen vier heraus, und das liegt in der Natur der Sache, denn sie türmen sich übereinander. Erik Leppuhn (18 Jahre), Sebastian Grohmann (19), Vincent Kühne (20) und Tom Mädler (15) sind als Vierergruppe die Attraktion bei jeder Show und die Ausnahme bei allen Wettkämpfen. In Deutschland haben sie zurzeit nämlich keine Konkurrenz, international dafür umso mehr. Es war deshalb eine echte Sensation, dass das DSC-Quartett voriges Jahr bei der Weltmeisterschaft der Junioren Bronze gewann.

Auf Umwegen zur Akrobatik

Während Florian Vitera sich sagte, wenn es am schönsten ist, sollte man aufhören, machen die anderen weiter. Vincent, der auch schon Vierer geturnt hatte, rutschte ins Team. Weil seine Mama wollte, dass er als kleiner Junge Sport macht, hatte er mit Leichtathletik begonnen. „Eher semierfolgreich“, wie er schmunzelnd sagt. Also wechselte er zu den Akrobaten. Sebastian war sogar bis zur siebenten Klasse Schwimmer, doch das tägliche „Kacheln zählen“ wurde ihm zu eintönig.

Erik und Tom kamen direkt vom Turnen, wobei Letzterer bei Motor Mickten begonnen und mit seinem Wechsel zum DSC die Qual der Wahl hatte. „Es gab drei Vorschläge“, erzählt der Oberschüler. „Wasserspringen, Shorttrack oder Akrobatik. Ich konnte alles ausprobieren und, ganz ehrlich, Wasserspringen schien mir zu schwierig zu sein.“ Dabei ist er es, der im einarmigen Handstand die Spitze der Pyramide bildet und dicht unter dem Hallendach Saltos schlägt. Vertrauen ist die Basis. Ulf Engelmann, der einst seine Tochter Nicole in die Turnhalle begleitet hat und seit 2004 ehrenamtlich als Trainer im Verein aktiv ist, nennt Geduld als wichtigste Eigenschaft für den Vierer. „Jedes Element wird behutsam aufgebaut. Anfangs probieren wir es in der Longe, dann an der Schaumgummigruppe – und erst wenn sich die Jungs sicher genug fühlen, üben wir auf der Matte. Tom kann selber sehr gut einschätzen, wann ein Element so weit ist, dass wir rausgehen können“, erklärt der 55 Jahre alte Lehrer für Physik, Informatik und Mathe.

„Physikalische Kenntnisse sind in der Akrobatik schon hilfreich“, meint Engelmann, der früher Handball gespielt hat. Damit Tom obenauf sein kann, haben die Untermänner ordentlich zu stemmen. Deshalb trainieren sie regelmäßig mit den Gewichthebern des DSC. „Es geht nicht nur um die Kraft, sondern auch um die richtige Körperhaltung, die Lasten ohne Folgeschäden für Muskeln und Knochen tragen zu können“, sagt Engelmann. „Wir sind sehr dankbar für diese Zusammenarbeit.“

Für die jungen Männer ist der Vierer eine ständige Herausforderung, aber gerade das macht den Reiz aus, nämlich „etwas zu beherrschen, was nur wenige können“, wie Erik sagt. „Die Elemente sind extrem spektakulär.“ Und auch wenn ein hartes Pensum nötig ist, bis es so gut aussieht wie bei der Gala und in Wettkämpfen die Punktrichter überzeugt, sei das tägliche Training auch „lustig und unterhaltsam“, meint Vincent. „Im Vierer muss man auch menschlich harmonieren, weil man sich extrem vertrauen muss“, sagt Sebastian.

Nach dem Sensationserfolg in China wollen die drei Bronzemedaillengewinner mit ihrem neuen Mann am besten daran anknüpfen: Bei der Europameisterschaft im Oktober in Rzeszow in Polen, bei der sie jetzt in der Meisterklasse antreten. „Jeder Erfolg ist Ansporn, es wieder zu erreichen“, meint Erik, wobei sie das nicht allein am Ergebnis festmachen wollen. „Wir träumen von Platz drei“, sagt Sebastian, „aber entscheidend ist, dass wir mit unserer Leistung selber zufrieden sein können.“

Ihr Fernziel sind die olympischen Jugendspiele 2018 in Buenos Aires. Darin liegt für sie auch die Hoffnung, dass die Sportakrobatik in das Programm der Spiele aufgenommen werden könnte. Das hat außer der sportlichen Wertschätzung vor allem eine finanzielle Seite. Denn die groß diskutierte Reform des deutschen Leistungssports tangiert sie kaum, weil sie als nichtolympische Disziplin sowieso so gut wie nicht gefördert werden. „Wenn man links und rechts zu anderen Sportarten guckt, merkt man, dass wir weniger Unterstützung bekommen“, sagt Sebastian.

Die Teilnahme an der WM in China war nur möglich, weil durch den Crowdfunding-Aufruf genug Geld von Sponsoren und privaten Spendern zusammengekommen ist. Ausgezahlt hat es sich allemal.