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Krähen ärgern Anwohner

Weil die Vogelkolonie für Lärm und Schmutz sorgt, greift die Stadt nun ein. Schade, sagt ein Experte.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Einen Wecker braucht Gabriele Thiere nicht mehr, seit sie umgezogen ist. Ab 4 Uhr morgens werde sie von dem Krächzen geweckt, das aus unzähligen Vogelkehlen zu hören ist. „Ich bin erst im Frühjahr nach Riesa gezogen und da sind mir sofort die Krähen aufgefallen“, erzählt Thiere. Eine Kolonie von Saatkrähen hat sich in den Bäumen rund um die Heinrich-Heine-Straße, Schillerstraße und Dr.-Scheider-Straße niedergelassen. Der morgendliche Krach ist nur ein Problem, das die tierischen Nachbarn den Menschen hier bereiten. Mancher Autofahrer, der hier parkt, dürfte regelmäßiger Gast in der Waschanlage sein. Auch auf der Straße macht sich die Vielzahl der Vögel bemerkbar, erzählt Anwohner Claus Wohllebe: „Die Krähen verschmutzen auch die ganze Straße. Oft ist kaum noch das Pflaster auf dem Gehweg zu erkennen.“

Mittlerweile ist der Unmut der Anwohner schon so groß, dass einzelne von ihnen Unterschriften gesammelt haben, um die Tiere loszuwerden. Auch in der Stadtverwaltung ist das Problem längst angekommen. Unabhängig voneinander hätten sich drei Anwohner aus dem betroffenen Straßenbereich an die Stadt gewendet, erklärt Pressesprecher Uwe Päsler auf SZ-Anfrage. „Die Zuständigkeit liegt jedoch beim Umweltamt des Landratsamtes, konkret der Unteren Naturschutzbehörde, das haben wir den Anwohnern natürlich auch so mitgeteilt.“

„Saatkrähen sind nun einmal gesellige Tiere.“

Der Riesaer Vogelkundler Olaf Gambke möchte nicht wirklich von einer Krähenplage sprechen. Vielmehr seien die Bestände in der Stadt seit Jahren rückläufig. „Was wir derzeit noch in Riesa haben, sind eher Restbestände. Früher haben wir in der Stadt mehr als 100 Brutpaare gezählt.“ Neben der Kolonie entlang der Heine-Straße sei ihm noch eine Gruppe bekannt, die sich nahe dem Offenen Jugendhaus niedergelassen hat. Die einzige größere Brutkolonie in der Region, die den Vogelkundlern bekannt ist, befinde sich aber nicht in Riesa, sondern in Lorenzkirch. Dass der Mensch ein Problem mit den tierischen Nachbarn hat, ist für Gambke nichts Neues. „Saatkrähen sind nun einmal gesellige Tiere.“ Das führe leider dazu, dass es in der Nähe der Vogelkolonien auch entsprechend laut werde. Mit schwerwiegenden Folgen für die Rabenvögel, weiß Olaf Gambke. Denn seiner Erfahrung nach zögen die Saatkrähen auf Dauer meist den Kürzeren, wenn sich Anwohner von den Tieren gestört fühlen.

Allzu viele Möglichkeiten, die krächzenden Nachbarn loszuwerden, hat die Stadt allerdings nicht. „Die Saatkrähen stehen unter Naturschutz und es gibt ganz strikte Auflagen, wenn man dort irgendwie eingreifen will“, betont Stadtsprecher Uwe Päsler. Trotzdem werde sich die Stadt in den nächsten Monaten um das Krähen-Problem kümmern.

Den Tieren die Nistmöglichkeiten nehmen

Ziel sei es, den Tieren in den betroffenen Straßenzügen die künftigen Nistmöglichkeiten zu nehmen, indem die Bäume ausgeästet werden. Einen entsprechenden Antrag habe das Landratsamt bereits vor einigen Tagen genehmigt, sagt Päsler. Der Baumschnitt könne also bald beginnen. „Ob es hilft, steht auf einem anderen Blatt.“ Andere Maßnahmen seien gesetzlich aber nicht erlaubt. „Und sobald die Krähen wiederkommen und Nester bauen, ist dort gar nichts mehr gestattet.“

Grund zur Hoffnung könnte den Anwohnern an der Heine-Straße immerhin die Tatsache geben, dass sich die Baumschnitt-Methode im vergangenen Jahr bewährt hat. Damals stutzte die Stadt die Bäume am Poppitzer Platz – offenbar mit Erfolg: In diesem Jahr nisteten dort keine Krähen. Gut möglich, dass es genau dieser Schwarm ist, der in den vergangenen Wochen die Nerven der Anwohner an der Heine-Straße strapaziert hat. Wenn die Saatkrähen im Frühjahr keine Nistgelegenheiten mehr finden, werden sie also voraussichtlich einfach weiterziehen – und möglicherweise einigen anderen Riesaern den morgendlichen Schlaf rauben.