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Kostenexplosion schon vor Baubeginn

Im Gemeinderat wurde am Montagabend erregt über die Finanzierungsvereinbarung für das geplante Kinderhaus diskutiert. Am Ende stimmten die Räte namentlich ab.

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© SZ-Archiv/Arvid Müller

Von Sven Görner

Moritzburg. Ein Kleeblatt, zumindest ein vierblättriges, gilt landläufig als Glücksbringer. Die gleichnamig Kindertageseinrichtung in Boxdorf und Reichenberg entpuppt sich für die Gemeinde Moritzburg dagegen Zusehens als Zankapfel. In der Gemeinderatssitzung am Montagabend schlug das Thema erneut hohe Wellen. Nicht ohne Grund: Denn obwohl das Neubauvorhaben für 186 Krippen- und Kindergartenkinder in Boxdorf bisher noch nicht einmal bauseitig ausgeschrieben, geschweige denn begonnen wurde, drohen die Kosten bereits aus dem Ruder zu laufen. Problematisch dabei ist, dass die Gemeinde Moritzburg darauf nur bedingt Einfluss nehmen kann. Denn sie ist nicht der Bauherr, muss nach derzeitigem Stand aber fast die Hälfte der Gesamtsumme finanzieren. Die beläuft sich aktuell auf mehr als 5,235 Millionen Euro.

Seit rund zehn Jahren besteht für die derzeitige Einrichtung der Awo Kinder- und Jugendhilfe gemeinnützige GmbH Pirna in Boxdorf Handlungsbedarf. Betrieben werden darf sie nur noch dank einer Ausnahmegenehmigung. Kritisch ist auch die Situation in der Außenstelle Reichenberg. Weil der Platz dort hinten und vorne nicht reicht, werden die Hortkinder in Räumen der benachbarten Grundschule betreut. An beiden Standorten besteht dringender Handlungsbedarf.

Bereits im Mai 2013 hatte der Gemeinderat entschieden, dass die Awo als Träger der Einrichtung das neue Haus in Boxdorf bauen soll. Die Gemeinde Moritzburg wollte ihrerseits den notwendigen Grund und Boden in Erbbaurecht zur Verfügung stellen. Mit wie viel Geld sich die Gemeinde am Bau beteiligt, sollte über eine Finanzierungsvereinbarung geregelt werden. Damals war übrigens noch von Kosten in Höhe von rund drei Millionen Euro ausgegangen worden.

So wurde abgestimmt

Für die Finanzierungsvereinbarung: Volker John, Peter Hebestreit, Kerstin Mißbach, Kai Miersch, Peter Christen, Hubert Rosin, Heiko Vogel, Karin Richter, Steffen Hönack, Andreas Timmler, Klaus Schiffner, Michael Zimmermann, Marcel Vetter und Jörg Hänisch.

Dagegen: Gerald Bibas und Isolde Dietzel.

Enthaltung: Friedmar Proschmann

Nicht anwesend: Daniel von Sachsen und Mario Howard

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Weil mit dem Neubau in Boxdorf im Nachbarortsteil Reichenberg künftig nur noch die Hortkinder betreut werden sollten, regte sich in diesem Widerstand gegen den Beschluss. Jörg Hänisch, gerade neu zum Bürgermeister gewählt, stoppte das Verfahren und ließ die Möglichkeit von zwei kleineren Neubauten prüfen. Sogar einen Trägerwechsel für Reichenberg brachte er ins Gespräch. Im Mai 2014 stimmte der Gemeinderat schließlich mit hauchdünner Mehrheit für die große Variante in Boxdorf und das Aus der Kindergartenbetreuung in Reichenberg. Sieben Räte, darunter der Bürgermeister, hatten für zwei kleine Neubauten votiert. Acht für die andere Variante.

Am Montagabend sollte nun über die dritte Fortschreibung der Finanzierungsvereinbarung beraten und abgestimmt werden. Ohne diese kann die Awo keine Fördermittel für den Bau beantragen. Und ohne diese Gelder kann weder der freie Träger noch die Gemeinde das Vorhaben stemmen. Denn dessen Kosten haben sich seit 2013 fast verdoppelt. Nach der europaweiten Ausschreibung hatte der beauftragte Architekt eine Kostenberechnung von 4,823 Millionen Euro vorgelegt. Als Awo und Architekt Ende letzten Jahres der Gemeinde die ersten Planungen vorlegten, hatte sich die Gesamtsumme auf sage und schreibe 5,971 Millionen Euro erhöht.

Wie der Bürgermeister sagt, hätten vor allem sehr großzügige Planungen der Außenanlagen sowie ein nicht nur begrüntes, sondern auch begehbares Dach der neuen Kita die Kosten in die Höhe getrieben. Schließlich wurde in Gesprächen zwischen Bauherr, dessen Anwalt und Gemeinde die Kosten auf die immer noch sehr hohen 5,235 Millionen Euro zurückgeschraubt. Dieser Betrag steht nun auch in der Finanzierungsvereinbarung.

Nachdem kürzlich der neue Doppelhaushalt des Freistaates beschlossen wurde ist nun sicher, dass wieder Fördergelder für Kita-Neubauten zur Verfügung stehen. Der Jugendhilfeausschuss des Kreistages hat das Boxdorfer Projekt zudem ganz oben auf die Prioritätenliste im Landkreis gesetzt. „Nach den gegenwärtigen Informationen kann so mit 2,325 Millionen Euro Fördermitteln gerechnet werden.“ Die Kosten pro Platz werden dabei mit 25 000 Euro festgesetzt, 50 Prozent werden gefördert. Kommen die Fördergelder und die Kosten werden eingehalten, käme auf die Awo ein Anteil von rund 524 000 Euro auf die Gemeinde von 2,387 Millionen Euro zu.

Viele Gemeinderäte fürchten indes, dass am Ende eine deutlich höhere Belastung auf die Gemeinde zukommen könnte. Reichenbergs Ortsvorsteher Bernd Reißmann hat recherchiert, dass in Pirna eine Kita für 155 Kinder, also in vergleichbarer Größe, für 3,5 Millionen Euro gebaut wurde. Dort hatte der Stadtrat die klare Vorgabe gemacht, dass pro Platz nicht mehr als 20 000 Euro ausgegeben werden dürfen. Diese wurden nur geringfügig überschritten. Gerald Bibas kritisierte, dass die Kosten in Boxdorf jetzt schon bei über 28 000 Euro liegen. Hubert Rosin sagte, dass die Räte immer die Getriebenen seien. Das bereite ihm schlaflose Nächte. Was, wenn die Kosten am Ende bei sechs oder sieben Millionen Euro liegen. Isolde Dietzel ergänzte, dass der Gemeinderat bei seiner Entscheidung eigentlich keine Alternative habe.

Karin Richter gab zu bedenken, dass noch keiner ausgerechnet habe, was auf die Gemeinde zukommt, wenn das jetzige Verfahren gestoppt und die Einrichtung in Boxdorf möglicherweise gesperrt wird. „Dann können die betroffenen Eltern gegenüber der Gemeinde ihre Forderungen aufmachen, weil die ihnen keine Kitaplätze zur Verfügung stellen kann.“

Volker John stellte schließlich den Antrag auf namentliche Abstimmung. Die dann überraschend klar für die Fortschreibung der Finanzierungsvereinbarung ausfiel. Gerald Bibas konnte sich zumindest mit seinem Antrag durchsetzen, einen Passus aus der Vereinbarung zu streichen. Nach diesem hätte die Awo statt zehn nur acht Prozent der Kosten übernehmen müssen, wenn sie die genannte Bausumme einhält. Die Mehrheit der Gemeinderäte sieht einen größeren Sparanreiz für den Bauherren, wenn der zehn Prozent zahlen muss.