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Konzertsaal zwischen Klappertopf und Bärwurz

Der Pflanzengarten Bad Schandau nutzt die blaue Stunde – für Führungen und Musik. Das freut die Gäste, die Flora und einen Mann besonders.

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© Steffen Unger

Bad Schandau. Rucksack statt Abendkleid, Sonnenbrille statt Opernglas, Kissen statt Sessel, Bäume statt Vorhang: Das ist das Bild, das sich am Sonntagabend im Pflanzengarten Bad Schandau bietet. 1 500 Pflanzenarten und einige literarische Anmerkungen bilden den Rahmen für die Blaue Stunde. Zum vierten Mal luden der Pflanzengarten, die Nationalparkverwaltung und die Stadt Bad Schandau dazu ein. Um die 200 Gäste werden es gewesen sein, sagt Armin Zenker vom Nationalpark. So genau kann er es nicht sagen, denn die Gäste sitzen überall verstreut, kommen und gehen und der Eintritt ist frei. Mittendrin Rudolf Schröder.

Er stellt sich auf einen Stein und beginnt zu erzählen. Zu jeder Pflanze weiß er etwas. Dass der Kleine Klappertopf zu faul ist, Wasser aufzunehmen und sich beim Nachbarn bedient, dass der Bärwurz eine feine Würze gibt und der Schwalbenwurzenzian eigentlich nicht hierher gehört, aber geduldet wird, weil er so schön aussieht. Der langjährige Technische Leiter des Botanischen Gartens baute den Garten Anfang der 1990er-Jahre auf, nachdem ihn ein Student wiederentdeckt hatte. 1902, also vor 115 Jahren, angelegt, war er in Vergessenheit geraten. Jetzt sorgen Schröder und einige andere dafür, dass das nicht wieder passiert. Auch die Blaue Stunde sorgt für Bekanntheit. Das freut ihn.

Die beiden Musikerinnen Beate Hofmann und Sandra Bohrig kämpfen mit den Mücken und spielen auf ihren Cellos ein buntes Repertoire von Telemann bis zum Fluch der Karibik. Die beiden Dresdnerinnen haben schon Erfahrungen mit Gärten. „Da stellt man sich drauf ein.“ Nur Musikstücke über Pflanzen sind für ihre Instrumente schwer zu finden. Dabei ist die positive Wirkung klassischer Musik zumindest auf Wildgewächse wie Wein und Tomaten wissenschaftlich bewiesen. Aber die gibt es im Pflanzengarten nicht. Doch auch Bärwurz, Enzian und Klappertopf schadet die Musik nicht. „Afrika“, eine Komposition von Sandra Bohrig verbindet die heimische Pflanzenwelt mit der weiten Welt. – Die Amsel trällert mit, ab und zu rattert die Kirnitzschtalbahn vorbei, Leute laufen herum: Alles, was in einem richtigen Konzertsaal stören würde, macht den Reiz der Blauen Stunde im Pflanzengarten aus. (SZ/sab)

Geöffnet: März bis Oktober, täglich 8 bis 19 Uhr, Führrungen: Mittwoch, 9.30 Uhr, Donnerstag 17 Uhr, Adresse: Ostrauer Berg 2, Telefon: 035022 90030