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Kontrolle an Bord

Im Riesaer Hafen nimmt die Wasserschutzpolizei ein Frachtschiff unter die Lupe. Sie entdeckt einen einzigen Verstoß.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Kommt rein! Kapitän Robin Heide ist gut drauf. Gerade hat eine Handvoll uniformierter Beamter sein Frachtschiff geentert. Vom blau-weißen Kontrollboot „Jahna“ sind sie über eine provisorische Treppe nach oben gestiegen und über die Reling geklettert. Nun begrüßt sie der Holländer in graubraunem Pullover und Kunststoff-Pantoffeln. Der Chef der Kontrolle stellt sich per Handschlag vor: „Krause, Wasserschutz“, sagt der Hauptkommissar und Vize-Chef des Abschnitts Riesa, der für gut 80 Kilometer Elbe zwischen Meißen und Brandenburg zuständig ist.

Mit dem Kontrollboot Jahna ist die Riesaer Wasserschutzpolizei unterwegs.
Mit dem Kontrollboot Jahna ist die Riesaer Wasserschutzpolizei unterwegs. © Sebastian Schultz
Vom Kontrollboot steigen die Wasserschutzpolizisten auf Frachtschiffe über – im Hafen, aber auch in Fahrt.
Vom Kontrollboot steigen die Wasserschutzpolizisten auf Frachtschiffe über – im Hafen, aber auch in Fahrt. © Sebastian Schultz
Ramona Mätzold und Jens Krause kontrollieren das Rettungsboot.
Ramona Mätzold und Jens Krause kontrollieren das Rettungsboot. © Sebastian Schultz
Ein Heim für viele Monate: das Wohnzimmer des holländischen Kapitäns – mit Fliesentisch, Teppich, Fernseher.
Ein Heim für viele Monate: das Wohnzimmer des holländischen Kapitäns – mit Fliesentisch, Teppich, Fernseher. © Sebastian Schultz

Heute geht es darum, einen Berufsschiffer zu kontrollieren. Sind die Papiere in Ordnung? Werden alle Vorschriften eingehalten? Ist der Kapitän nüchtern? „Das läuft ganz ähnlich wie bei einer Lkw-Kontrolle auf der Autobahn“, sagt Hauptkommissar Jens Krause. Nur dass Binnenschiffe nicht alle Jubeljahre, sondern im Regelfall vierteljährlich kontrolliert werden – und das ganze schnell eine Stunde lang dauert.

Der Kapitän ist trotzdem ganz entspannt und geht die steile Eisentreppe zum Steuerhaus empor. Er muss ohnehin noch eine Nacht im Riesaer Hafen liegen: Hoch über den Köpfen dreht sich ein blauer Kran und lädt einen Container nach dem anderen vom Motorschiff Charly ab. Chemikalien, Technik, Wein – alles Mögliche kann in den blauen, weißen, roten, gelben Standard-Containern stecken, wie man sie auch auf Lkws oder Güterzügen kennt. 66 Stück davon passen auf das Schiff des Holländers. „Allerdings kann ich beim jetzigen Wasserstand von 1,30 Metern nur 411 Tonnen tragen“, sagt er mit deutlichem Akzent. „Wird Zeit, dass sich auf der Elbe was tut.“ Eine zusätzliche Schleuse in Tschechien wäre schön. Oder wenigstens reichlich Regenfälle hinter der Landesgrenze. So kann er nur davon träumen, dass er sonst mit Charly das vierfache Gewicht Ladung transportieren könnte – zumindest als Schüttgut wie Weizen oder Kohle.

Papiere für Elbe, Rhein, Donau

Währenddessen blättert Polizeihauptmeister Mirko Schröter längst die Papiere durch. Alles vorschriftmäßig mit der Fracht, mit der Besatzung, dem Kapitän? Stolz zeigt der 66-Jährige sein Patent für die Elbe, eine Plastekarte wie ein aktueller Führerschein. Andere Dokumente haben das Layout der 70er – etwa sein Donau-Patent oder die Erlaubnis für den Rhein, der auf seinem holländischen Schein Rijn geschrieben wird. „Ich bin seit Jahrzehnten Schiffmann“, sagt der Mann mit den schütteren roten Haaren.

Er ist in Holland Schiff gefahren, in Deutschland, Österreich, Ungarn. Momentan ist aber die Linienverbindung Hamburg-Riesa dran. Eine Woche dauert die Tour hin und zurück. Ein Güterschiff ist kein Schnellboot, auch wenn sich im Motorraum eine 1 500-PS-Maschine verbirgt. Dorthin sind die blau uniformierten Beamten mittlerweile vorgedrungen, nachdem es im Steuerhaus nichts zu bemängeln gab.

Jetzt drängen sie sich routiniert an öligen Zylindern, einem Schaltschrank, einer Werkbank vorbei. Hier geht es vor allem um Umweltschutzvorschriften: Gibt es den vorgeschriebenen Behälter für schmutzige Öllappen? Sind die Lenzventile versiegelt? Wann wurde das letzte Mal Altöl abgegeben? „Es geht darum, dass niemand auf dem Fluss einfach Öl auslaufen lässt“, sagt eine Beamtin. Deshalb bekommen Berufsschiffer einen Stempel, wenn sie im Hafen Altöl abliefern. Ist der letzte Stempel Monate her, werden die Beamten misstrauisch.

Im Maschinenraum von Robin Heide allerdings scheint alles in Ordnung zu sein. Weiter geht es, wieder eine steile Treppe hoch, weg vom Dieseldunst, hinauf ans Tageslicht. Dort liegt festgezurrt das rote Rettungsboot. Es trägt schon einige Alterungsspuren, doch das interessiert die Beamten wenig. Sie schauen nach anderen Dingen: Ruder, Rettungsring, Leinen – alles da. Und dann stößt Jens Krause doch noch auf ein Problem. „Wo ist das vorgeschriebene Schöpfgefäß?“, will der Polizist wissen. Nun lächelt der Kapitän verlegen. „Ich hole eine Schüssel.“ Das geht in Ordnung. Und weil es ansonsten nichts zu meckern gibt, lädt der Holländer die Beamten noch ein, seine Wohnung an Bord zu besichtigen. Auch wenn die Wasserschutzpolizei dort eigentlich nur bei Gefahr in Verzug rein darf: An Bord gelten dieselben Regeln wie bei jeder Privatwohnung an Land.

Der 66-Jährige öffnet die Tür zu seinem Reich und bittet darum, die Schuhe anzulassen. In einem vertäfelten Wohnzimmer warten Fliesentisch, Sofa, Palme und Kakteen. Auf dem Flachbildfernseher laufen die ARD-Nachrichten, davor wartet ein Fahrradtrainer. Nebenan ist das mit Fischen bunt bemalte Klo geputzt, das Bett vorzeigbar – obwohl an Bord eine Männerwirtschaft von drei älteren Herren herrscht. „Das Bettenmachen habe ich schon im Schifffahrts-Internat gelernt“, sagt der Kapitän stolz. Dort war er als Kind, weil Vater und Mutter auch schon als Schiffer unterwegs waren. „Wäre meine Mutter nicht seekrank gewesen, wäre mein Vater Hochseeschiffer geworden“, sagt Robin Heide. So wurden beide Binnenschiffer – so wie ihr Sohn, der gerade im Riesaer Hafen liegt. Und dessen Tochter. „Wir Holländer wind Wasserzigeuner“, sagt der Kapitän lachend.

Zwei Alkoholverstöße in 25 Jahren

Auf der Elbe allerdings sind holländische Kapitäne die absolute Ausnahme: Dort kommen fast alle Schiffer aus Tschechien. Bei aller Sympathie zum Bier gibt es trotzdem so gut wie nie Alkoholverstöße. „Ich habe in 25 Jahren Dienst zwei Fälle erlebt“, sagt Hauptkommissar Krause. „Die Binnenschiffer sind Profis. Die wissen, dass ihre wirtschaftliche Existenz am Beruf hängt.“ Bei den Sportbootkapitänen ist das anders – da landen die insgesamt 16 Riesaer Beamten regelmäßig Treffer. Nicht nur auf der Elbe, sondern auch auf den Talsperren im Erzgebirge und im Leipziger Seenland: Dort sind die Riesaer ebenfalls auf schiffbaren Gewässern zuständig. Nun verabschieden sie sich aber erst einmal vom holländischen Kapitän: „Gute Fahrt!“ Hinab geht es auf das schwankende Polizeiboot. Bis zum nächsten Mal.