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Konsumgeschichten aus Zabeltitz

Vor 30 Jahren hat der neue Konsum in Zabeltitz aufgemacht. Geldtransporte hat man zu der Zeit mit dem Fahrrad erledigt.

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Von Susanne Plecher

Der morgige Tag wird in der Zabeltitzer Kaufhalle ein ganz normaler Sonnabend sein. Zwei Verkäuferinnen öffnen den Laden um 7.30 Uhr und machen ihn um 11 Uhr zu. Dazwischen gehen Milch, Brot, Süßigkeiten, Wurst und Gemüse über das Warenband. Nichts wird daran erinnern, dass dieser Tag eigentlich doch kein normaler Sonnabend, sondern der 30. Geburtstag des Geschäftes ist. Am 30. November 1984 haben hier die ersten Kunden eingekauft. Das war ein Meilenstein in der Dorfgeschichte.

Kurz vor der Eröffnung des neuen Konsumgebäudes brachte sich die damalige Belegschaft vor vollen Regalen in Position: Irene Winkler, Erika Däweritz, Kerstin Werft, Frau Weidelhöfer, Hilde Albrecht, Charlotte Leuschner, Katrin Bachmann, Helga Dörschel, Ger
Kurz vor der Eröffnung des neuen Konsumgebäudes brachte sich die damalige Belegschaft vor vollen Regalen in Position: Irene Winkler, Erika Däweritz, Kerstin Werft, Frau Weidelhöfer, Hilde Albrecht, Charlotte Leuschner, Katrin Bachmann, Helga Dörschel, Ger

„Das war eine ganz aufregende Zeit“, erinnert sich Erika Däweritz. 40 Jahre lang hat die Zabeltitzerin die Geschicke der dörflichen Verkaufseinrichtung gelenkt, von 1958 bis 1984 in einem winzigen Lädchen, ab 1984 bis 1998 im neuen Geschäft an der Hauptstraße. Als sie Ende der 1950er Jahre von ihrer Vorgängerin Irma Schneider den kleinen Verkaufsraum übernahm, wurde die Milch noch lose in Kannen verkauft, die Butter mangels Kühltruhe in einer Holzkiste gelagert. Wollten die Kunden Quark, brachten sie eigene Schüsseln mit, um sich die gewünschte Menge abfüllen zu lassen. Das Schlimmste aber war die Enge.

Anfang der 1980er haben die Konsumgenossenschaft und die Gemeinde den Neubau beschlossen. Das war eine Errungenschaft, davon ist Erika Däweritz noch heute überzeugt. 130 Quadratmetern war der Laden groß und er hatte ein Kühlregal: Es maß 1,5 Meter in der Länge. Das Kollektiv, wie es im Sprachgebrauch der Zeit so schön hieß, wurde auf 12 Verkäuferinnen aufgestockt. Trotzdem war es nicht leicht, die Regale zu füllen. Waren des täglichen Bedarfs waren zwar bestellbar, die besonderen Sachen, für die sich Ottonormalbürger stundenlang angestellt hat, wurden jedoch zugeteilt. Bananen, Apfelsinen, Nüsse waren bekanntermaßen Mangelware. Wenn es sie gab, war das eine Sensation. Um das magere Spektrum ein wenig aufzupeppen, hat die Zabeltitzer Gärtnerei Blechschmidt Gemüse angebaut und direkt zugeliefert. Frischkäse kam von der Molkerei in Ebersbach. Die umsatzstärksten Tage waren auch in der Vorwendezeit die Donnerstage und Freitage. 18 000 bis 20 000 Mark klingelten damals in der Kasse. „Die habe ich in einer Geldtasche mit dem Fahrrad zur Bank gebracht. Passiert ist nie etwas“, erinnert sich die agile Rentnerin.

Trotzdem hat der neue Laden auch jene angezogen, die man nicht haben wollte. Mehrfach ist eingebrochen, sind Zigaretten und Wurst geklaut worden. Die Eingangstüren sind eingeschlagen worden, sogar in die Hauswand wurde ein Loch gerissen. Einmal sind die Diebe gestört worden. Als die Verkäuferinnen der Frühschicht zum Konsum kamen, standen Schnaps und Bekleidung in Kisten zur Abholung bereit. Gefasst wurde nie einer.

„Heute ist alles im Übermaß da. Wir haben damals um die Ware gekämpft“, sagt die 74-Jährige. Und: „Der Konsum war mein Leben, Verkäuferin mein Traumberuf.“ Für ihr Engagement im Dienste der Kunden ist sie sogar ausgezeichnet worden. Der damalige Handelsminister der DDR hat sie 1987 in Berlin als „Verdiente Mitarbeiterin des Handels“ geehrt. Die Urkunde hat sie noch. „Stets hat sie sich dafür eingesetzt, daß die Einwohner stabil mit den Waren des Grundbedarfs versorgt werden“, heißt es darin. Was damals in der Republik nicht alltäglich und damit eine Ehrung wert gewesen war, ist heute für Viele zur blassen Erinnerung geworden. Leere Regale, Bückware hinterm Verkaufstisch sind längst Vergangenheit. Das ist auch der Name der Zabeltitzer Kaufhalle.

Schon lange heißt der Konsum nicht mehr Konsum. Seit 1994 ist er Edeka, vorher war er Spar und OK-Markt. Jetzt gehört er zum Einkaufszentrum „Große Emma“. Versorgungsengpässe zur Wendezeit, als die Westware noch nicht, die Ostware nicht mehr da war, und drei Insolvenzen hat Erika Däweritz miterleben müssen. Dann hat sie sich zurückgezogen. Ihren Posten der Verkaufsleiterin hat Ines Pohl vor 16 Jahren übernommen. Wer den Job in Zabeltitz einmal hat, behält ihn lange.

Sie arbeitet mit sechs Mitarbeiterinnen im Laden. Die Umsätze sind trotz der Discounterfülle im Umkreis stabil, aber die Einführung des Mindestlohns zu Beginn des kommenden Jahres wirft Fragen auf. Natürlich, so Ines Pohl, ist es schön, dass es ab 1.Januar mehr Geld für die Verkäuferinnen gibt. Aber ohne Einschnitte in die Abläufe ist das nicht zu finanzieren. „Wir werden wahrscheinlich unsere Öffnungszeiten verkürzen müssen und über die Mittagszeit zwei Stunden schließen“, überlegt sie laut. Das sei die einzige Lösung, wenn niemandem gekündigt werden soll. Das will keiner, Erika Däweritz wohl am wenigsten. „Das ist und bleibt der Markt, in dem ich einkaufe. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann, dass er weiterhin besteht“, sagt sie.