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Konjunktur in der Kompostfabrik

Die Gärtner sind los! Doch wer pflanzen will, braucht Dünger. Im Freitaler Humuswerk gibt es ihn täglich frisch.

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© Egbert Kamprath

Von Jörg Stock

Freital/Pirna. Kompost? Post kommt! Zweimal die Woche! Der drollige Dialog zwischen den Komikern Herricht & Preil im Sketch „Der Gartenfreund“ ist Kult. Woher die Post kommt, weiß man. Aber woher kommt der Kompost? Längst macht nicht mehr jeder gute Gärtner, wie von Besserwisser Preil dazumal erklärt, „einen Haufen“. Die Abfälle wandern in die Biotonnen. Sie speisen heute den größten Komposthaufen der Region. Und der steht im Freitaler Saugrund.

Täglich liefern Müllwagen den Inhalt der Braunen Tonne an.
Täglich liefern Müllwagen den Inhalt der Braunen Tonne an. © Egbert Kamprath
Vor allem Ladungen aus Großsiedlungen sind mit Unrat verseucht.
Vor allem Ladungen aus Großsiedlungen sind mit Unrat verseucht. © Egbert Kamprath
Reporter Jörg Stock zeigt Werkzeuge, die sich in die Biotonne verirrt haben.
Reporter Jörg Stock zeigt Werkzeuge, die sich in die Biotonne verirrt haben. © Egbert Kamprath
Gläser, Spraydosen, Batterien und sogar Telefone finden sich in der Biomasse.
Gläser, Spraydosen, Batterien und sogar Telefone finden sich in der Biomasse. © Egbert Kamprath
Ein Radlader bringt eine Kompostladung zum Sieben.
Ein Radlader bringt eine Kompostladung zum Sieben. © Egbert Kamprath

Jens Eybing hat das Telefon am Ohr. Wieder jemand, der Stoff braucht, seinen Garten schön zu machen. Seit Dienstag nach Ostern boomt der Kompostverkauf. Er selbst hat auch schon gedüngt, hat fein gesiebten Kompost auf seinem Rasen verteilt, damit er kräftig sprießt. „Das wirkt“, schwört er. Und es ist praktisch. Als Betriebsleiter im Weißeritz-Humuswerk sitzt Jens Eybing direkt an der Quelle.

Das Humuswerk, Teil der weltweit operierenden Remondis-Gruppe, arbeitet seit 1996 im alten Freitaler Deponie-Distrikt, dem Döhlener Saugrund. Fast genauso lange ist Jens Eybing hier. Der aus Rabenau stammende Chemie-Facharbeiter, 49 Jahre alt, fing 1998 im Humuswerk an, wurde Vorarbeiter und 2011 Chef. Vier Kollegen führt er bei der Kompostproduktion. Produzieren? Machen das nicht die Bakterien? Er lacht. Klar tun sie das. „Aber rundherum gibt es eine ganze Menge zu tun.“

Jährlich kriegen Jens Eybings Bakterien 13 000 Tonnen Biomasse vorgesetzt, eingesammelt in der Weißeritzregion, vom Erzgebirgskamm bis zur Dresdner Stadtgrenze. Jeden Tag bringen die Laster neues Futter. Mal kommen 32 Tonnen zusammen, mal über achtzig. Unterm Strich genügt der Inhalt der Biotonnen, um das Werk voll auszulasten. Privat gelieferten Gartenabfall nimmt die Kompostfabrik gar nicht mehr an. Er wird nach nebenan dirigiert, zur Sammelstation des Abfallzweckverbands.

Eine abgehärtete Nase

Die Sortierhalle – ein riesiger, dämmriger Hohlkörper. Es ist früh, der Raum noch so gut wie leer. Doch der Geruch ist prägnant, erinnert an Kuhstall. Jens Eybing riecht das gar nicht mehr. Höchstens wenn er frisch aus dem Urlaub kommt. Aber nach einer Stunde ist das vorbei. Die Geruchsentwicklung ist ohnedies zurückgegangen, seit die Biotonnen wöchentlich abgeholt werden, sagt er. Früher stand der Abfall doppelt so lange im Kübel. „Da war es schlimmer.“

Ein Müllwagen bugsiert sein Hinterteil in die Halle und gebiert eine graubraune Masse. Grünschnitt, Äste, Gras, hier und da ein Brotkanten, ein Maiskolben, eine matschige Mandarine. Jens Eybing freut sich. „Das ist ideal für uns.“ Die Fuhre kommt sicher vom Land, weil so wenig Unrat dabei ist. Auf dem Lande weiß man, was verrottet und was nicht. Der Lasterfahrer bestätigt Eybings Theorie. Seine Tonnen hat er in Oberhäslich und in Ulberndorf gekippt.

Das Telefon im Abfallhaufen

Gleich neben dem Vorbild liegt das schlechte Beispiel, Marke Zauckerode, sagt Eybing. Je größer und anonymer die Siedlungen sind, sagt er, desto weniger kümmert es die Leute, was in die Tonnen fliegt. So sieht der Haufen statt nach Bioabfall eher nach einer Müllkippe aus: Plastetüten, Milchpacken, Joghurtbecher, Ketchupflaschen, Blechdosen, Windeln. Selbst was verrottet, etwa eine Gurke, wird samt Plastepelle weggeworfen. Auch Schnapsflaschen sind häufig. Will da jemand sein Alkoholproblem verschleiern und entsorgt deshalb das Leergut in der Biotonne?

Den Müll müssen Eybings Leute in Handarbeit vom Förderband fischen. Dabei greifen sie auch manches Kuriosum auf. Mehrfach waren Handys dabei, vermutlich beim Befüllen der Abfalltonne irgendwie hineingerutscht. Erst heute Morgen steckte wieder ein Telefon im Haufen, genau so eins, wie es Jens Eybing selbst benutzt. „Da hab’ ich erst mal einen Schreck gekriegt.“ Manchmal entdecken die Kompostwerker Gerätschaften aus Haus und Hof, versehentlich mit dem Abfall weggeworfen, darunter Messer und Gabeln, ein Wetzstahl, mehrere Astscheren und Pflanzschaufeln, kleine Rechen, diverse Spachteln.

Der Abfall im Abfall hat immense Ausmaße. Wenn es gut läuft, kommen am Tag zehn oder elf Container Restmüll zusammen. Eybings persönlicher Rekord liegt bei 32. Selbst das Metall, von Magneten automatisch vom Förderband gepflückt, kann man nur noch wegwerfen, sagt der Chef, weil es derart verdreckt kein Schrotthändler haben will. Würde besser getrennt, wäre alles leichter. Warum es nicht klappt? Er zuckt die Schultern. „Ist halt so.“

Das, was wirklich ins Humuswerk gehört, wird geschreddert, zehn Tage in der Rottebox eingeschlossen und dann unter freiem Himmel zu großen Mieten aufgetürmt. Mehrfach umgeschichtet ist der Kompost nach drei Monaten fertig. Abnehmer der Jahresproduktion von etwa 8 000 Tonnen sind vor allem Landwirte, aber auch Gartenbaubetriebe und Privatleute mit eigener Scholle, so wie Jens Eybing. Gefällt ihm seine Rolle als Futtermeister der Bakterien? Es ist eine nützliche Sache, sagt er, die Nahrung fürs neue Wachstum herzustellen. Er macht seinen Job gern. „Sonst wäre ich nicht mehr hier.“