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Kompromisslose Idealisten gegen machtlose Realisten

Ein höflicher Schlagabtausch bringt keinen Ausweg aus der politischen Krise in Hongkong.

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© dpa

Von Andreas Landwehr, Hongkong

Es ist kein runder Tisch. Auch gibt es keine Aussöhnung. Die Gegensätze sind unüberbrückbar. Links sitzen die Studenten in schwarzen T-Shirts mit grüner Aufschrift „Freiheit jetzt“ und dem gelben Regenschirm – dem Symbol der Demokratiebewegung in der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Rechts hocken die Repräsentanten der Hongkonger Regierung – alle in schwarzen Jacken, selbst Verhandlungsführerin Carrie Lam. „Wir können nicht nur Ideale haben“, belehrt die Nummer zwei Hongkongs die jungen Studenten: „Wir müssen uns der Realität stellen.“

Etwas steif liest die Verwaltungschefin vom Blatt ab. Der Beschluss des Volkskongresses in Peking über die umstrittene Wahlreform sei „unumstößlich“. Lam zeigt die engen Grenzen auf, in denen sich die frühere britische Kronkolonie seit der Rückgabe 1997 an China nur bewegen kann. Ganz anders Studentenführer Alex Chow, der weitgehend frei spricht. Er stellt alles infrage, fordert echte Demokratie: „Was wir wollen? Wir wollen das Recht zu wählen, gewählt zu werden und dass alle Wähler gleich sind.“ Dafür würden sie auch ins Gefängnis gehen.

Die Studenten fordern eine freie Nominierung der Kandidaten für die geplante erste direkte Wahl 2017. Es müsse Schluss sein mit dem 1.200 Mitglieder zählenden Wahlkomitee, das heute den Regierungschef allein bestimmt und 2017 immer noch die Kandidaten für die Wahl auswählen soll. Auch die Zusammensetzung des Gremiums ist ihnen nicht geheuer: Industrie, Handel, Finanzen, Berufsstände oder soziale Organisationen entsenden Mitglieder, Hongkonger Politiker und Abgeordnete des chinesischen Volkskongresses. Am Ende steht es auf jeden Fall loyal zu Peking.

Nach mehr als drei Wochen Demonstrationen, gewaltsamen Zusammenstößen, Verletzten und Festnahmen will Hongkongs Regierung die Gemüter beruhigen. Vor zwei Wochen verweigerte sie noch das Gespräch mit den Studenten, jetzt sucht sie es – und sei es aus taktischen Gründen. Denn die Proteste überschatteten das laufende 4. Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei in Peking.

Einen deutlichen Warnschuss gab das Parteiorgan „Volkszeitung“ ab, als es den Demonstranten in Hongkong unterstellte, nicht wirklich Demokratie zu wollen, sondern vielmehr die „Unabhängigkeit“. Der Hinweis kann als rote Linie gelten, da Peking damit eine gewaltsame Intervention begründen könnte. (dpa)