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Komplette Strecke lahmgelegt

Zwischen Riesa, Döbeln und Chemnitz fuhr am Mittwoch kein Zug. Ab Donnerstag geht es wieder im Zwei-Stunden-Takt.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke und Tina Soltysiak

Riesa/Döbeln. Hätte sie das gewusst... Stefanie Stürmer schaut immer noch ziemlich ungläubig auf die Anzeige in der Wartehalle des Riesaer Bahnhofs. „Ausfall ohne Ersatz“ steht hinter der Verbindung Riesa-Chemnitz. Auch in die Gegenrichtung fährt keine Bahn. Wie sie jetzt zur Weihnachtsfeier nach Mittweida kommen soll?, fragt sie sich. Die Riesaerin hat keine Ahnung. „Ich dachte erst: Das kann ja gar nicht sein. Ich habe mich noch gestern Abend hier im Reisezentrum informiert, ob der Zug fährt. Die Bahn-Mitarbeiterin hat das bejaht, also habe ich mir ein Ticket gekauft.“

Denn schon am Dienstag hatte es bei der Mitteldeutschen Regiobahn (MRB), die die Strecke Elsterwerda-Döbeln-Chemnitz seit einem Jahr bedient, Probleme gegeben. Der Grund sind laut dem Verkehrsunternehmen Mängel an den Zügen. „An den Fahrzeugen wurde eine Ausbröckelung an den Radsätzen festgestellt“, sagt ein Unternehmenssprecher. Momentan seien nur noch neun von 29 Fahrzeugen im Einsatz. Alstom, der Hersteller der Züge, könne bislang keine Aussage treffen, wann die Fahrzeuge wieder einsatzfähig sind, heißt es.

Bis Donnerstag fährt keine Bahn

Alstom prüft nach eigenen Aussagen nun „die Ursache des Problems und arbeitet mit dem Betreiber an einer Lösung, um die Züge schnellstmöglich wieder in Betrieb zu nehmen“. Im Chemnitzer Eisenbahnbetriebshof arbeite man derzeit dreischichtig an der Schadensbehebung.

Die Probleme auf der Strecke waren auch Stefanie Stürmer nicht verborgen geblieben. Aus genau diesem Grund hatte sie sich auch vor ihrer Reise informiert. Mit dem Auto wollte sie bei diesem Winterwetter nicht fahren – zu gefährlich, zumal sie bald Mutter wird. Aber auch, weil man über die Schiene schneller in der mittelsächsischen Kleinstadt Mittweida ist als über die Straße: 45 Minuten anstatt rund eine Stunde mit dem Auto, je nach Verkehrslage.

In einer Mitteilung der Mitteldeutschen Regiobahn heißt es, dass die Fahrgäste „alternative Reiserouten“ nutzen sollen. Den Daumen raus halten und trampen? Sich von Busbahnhof zu Busbahnhof hangeln?

Für Stefanie Stürmer sind das keine Optionen. Schließlich folgt sie einer Fahrgastbetreuerin der Mitteldeutsche Regiobahn zum Busbahnhof vor dem Bahnhof. Nach zwei Telefonaten über ihr Handy kann die Bahnmitarbeiterin sagen, dass ein Ersatzbus auf dem Weg nach Riesa ist. „Insgesamt zwei Busse sind auf der Strecke zwischen Chemnitz und Elsterwerda unterwegs, also ein Bus in jeder Richtung.“ Doch, ob der herannahende Busfahrer sein Gefährt gerade in Richtung Elsterwerda oder Chemnitzer lenkt – das kann sie nicht sagen.

Schienenersatzverkehr fehlt

Die Information, dass es einen Schienenersatzverkehr gibt, will allerdings nicht so recht zu dem passen, was die Mitteldeutsche Regiobahn online verkündet. Dort heißt es nämlich: „Ein Schienenersatzverkehr konnte nicht eingerichtet werden.“

Diese Informationspolitik lässt Carsten Schulze vom Fahrgastverband Pro Bahn schaudern: „Offenbar schafft man es hier nicht, die Informationen schnell zu bündeln und den Kunden zur Verfügung zu stellen.“ Mindestens genauso schlimm findet er, dass es keinen geordneten Schienenersatzverkehr gibt. „Das ist ein starkes Stück. Meiner Meinung nach sollte das Anlass für Politiker bis auf Landesebene sein, sich dafür einzusetzen, dass es nicht noch einmal zu solch einer Versorgungslücke kommt“, so Schulze.

Hannelore John vom DB-Reiseservice in Döbeln geht es wie ihrer Kollegin in Riesa. „Wir bekommen von niemandem vorab Bescheid. Ich muss jeden Morgen, wenn ich komme, auf die Seiten der Verkehrsbetriebe schauen, und mich über Änderungen informieren“, sagt sie. Die vergangenen drei Tage sei viel los gewesen. Sie habe unzählige Kundennachfragen beantworten müssen. „Dass die Züge nur im Zwei-Stunden-Takt fahren, konnte ich den Leuten ja noch vermitteln. Aber dass zwei Tage lang auf einer Strecke kein einziger Zug fährt, habe ich noch nie erlebt. Wie soll ich das denn den Kunden erklären?“ Sie weiß, wovon sie redet, denn sie ist seit 1972 im Reisezentrum tätig. Sie findet es ebenso unverschämt, dass es auch keinen Schienenersatzverkehr gibt.

„Für die Linie RB 45 war es der MRB bis jetzt leider nicht möglich, Busse für einen Schienenersatzverkehr zu erhalten. Es finden jedoch weiterhin Abstimmungen zwischen der MRB, dem ZVMS und anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen über den Einsatz zusätzlicher Ersatzfahrzeuge statt, um dort schnellstmöglich zumindest wieder einen kleineren Takt mit Zugverkehr anbieten zu können“, erklärt Jeanette Kiesinger, Sprecherin der Verkehrsverbund Mittelsachsen GmbH (VMS). Der Einsatz des Busnotverkehrs erfolge stets kurzfristig.

Ein Sprecher des Verkehrsverbundes Oberelbe sprach gegenüber dem MDR von „unhaltbaren Zuständen“. Die MRB sei nämlich eigentlich verpflichtet, Kooperationspartner für Busersatzverkehre vorzuhalten und die Fahrgäste zu befördern. Andernfalls drohten Strafgelder, hieß es. Notfalls müssten die Fahrgäste Taxis nehmen und sich die Kosten erstatten lassen.

„Für die Erstattung der Kosten bekommen Kunden bei mir ein Formular“, erklärt Hannelore John. Name, Anschrift, Bankverbindung und die Quittung müssten vorgelegt werden. „In 99,9 Prozent der Fälle hat das in der Vergangenheit geklappt“, sagt die Döbelnerin.

Am Mittwochabend gab die MRB eine Information heraus, wie es in der nächsten Zeit weitergeht: Für die betroffenen Strecken sei in Abstimmung mit den Verkehrsverbünden ein Notfall-Fahrplan festgelegt worden. Die Strecke Chemnitz-Döbeln- Elsterwerda wird ab sofort wieder im Zwei-Stunden-Takt bedient. Dafür werden ein Triebzug Coradia Continental sowie ein geliehener RegioShuttle der CityBahn Chemnitz benutzt. Die Züge haben allerdings eine eingeschränkte Platzkapazität, informiert die Mitteldeutsche Regiobahn. Zusätzlich werde ein Bus den Schienenersatzverkehr zwischen Elsterwerda und Riesa übernehmen.