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Kommt das Paket bald von alleine?

Drohnen, Lieferroboter, Großrohrpost: Die Postzustellung wird revolutioniert – für Umwelt, Kunden, Zusteller und die Kassen der Anbieter.

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© Hermes

Von Michael Rothe

Eine unwirtliche Gegend in den Bayerischen Alpen. Eis, Schnee, und am Himmel braut sich was zusammen. Eine junge Frau im gelb-roten DHL-Outfit stapft auf eine Packstation von der Größe einer Pkw-Garage zu, gibt einen Code ein und setzt das mitgebrachte Paket in den sich öffnenden Schacht. Leises Surren. Wie von Geisterhand öffnet sich die Kuppel jenes Skyports und gibt eine gut zwei Meter lange Drohne frei, welche sich die Sendung automatisch einverleibt hat. Schnitt: Ein Kontrollzentrum übernimmt. Das unbemannte Flugzeug hebt ab, entschwindet mit 70 Stundenkilometern über dem Wald und landet acht Kilometer weiter auf einer anderen Station, wo ein Mann das Paket froh gelaunt via Pin vom Entladeroboter empfängt. Dazu spielt Musik. Zukunftsmusik.

Was das Werbevideo der Posttochter im Internet verheißt, ist nicht mehr weit weg. Schon vor vier Jahren hatte deren Paketkopter Arzneimittel über den Rhein zur Konzernzentrale geliefert, ein Jahr später schon über das Wattenmeer zur Nordseeinsel Juist. Die nunmehr dritte Generation ist ein Kippflügler, der dadurch auch senkrecht starten und landen kann.

Wie bei Amazon. Der größte Internet-Versender hat laut New York Times für Tests eine Autostunde nördlich von London ein geheimes Übungsgelände angemietet, um seinen Dienst Prime Air auszuprobieren. Bloß kein Einblick für die Konkurrenz, die ähnlich verbissen forscht! Geopost, ein Ableger der französischen Post, erprobt an der Côte d’Azur den Abwurf von Paketen in Grundstücke. Beim Lieferservice Domino’s in Neuseeland lässt eine Drohne Pizzakartons am Seil herab, wenn der Kunde auf dem Smartphone den Button drückt.

Post-Konkurrent UPS lässt die Flieger gar vom Dach des fahrenden Zustellautos starten. Beim Test im Februar in Florida hatte solch ein Oktokopter Pakete an einen Haushalt geliefert und wieder am Fahrzeug angedockt, während der Zusteller die Tour fortsetzte und andere Sendungen verteilte. „Eine Ersparnis von nur einer Meile pro Zusteller und Tag senkt die Kosten um bis zu 45 Millionen Euro pro Jahr“, heißt es von den Amerikanern mit deutscher Tochter.

In der Ausrichtung sind alle großen Logistiker in der Luft und zu Land ähnlich unterwegs. Per pedes oder elektrisch angetriebene Zwei-, Drei- und Vierräder mit großen Ladebehältern sind Basics in den Konzepten und teilweise schon Realität.

Hermes arbeitet mit Daimler und anderen an der Elektrifizierung seiner Fahrzeugflotte. Ende 2020 sollen bundesweit 1 500 E-Fahrzeuge in der Zustellung im Einsatz sein. Bis 2025 sei geplant, in den Citys aller 80 deutschen Großstädte elektrisch zuzustellen – auch in Dresden, Leipzig und Chemnitz. Die Batterien kommen von der Deutschen Accumotive GmbH in Kamenz.

Noch mehr Aufsehen erregt die Tochter der Otto-Group in Hamburg und London, wo ihr autonomer Starship-Roboter testweise rollt. Das kniehohe sechsrädrige Gefährt fasst zwei mittlere Pakete und bringt sie bis zur Haustür. Dort kann der Empfänger den Behälter mit individuellem Link öffnen. Auch die Abholung von Retouren wurde schon erprobt.

Auch DPD sieht im autonomen Fahren Potenzial für ungeahnte Flexibilität. So könnte es schon ab Paketzentrum ohne Fahrer gehen und dieser erst im Zustellgebiet zusteigen – oder wie bei Hermes auch dort durch Minitransporter ersetzt werden. „Das ferngesteuerte Paket ist eine Zukunftsoption, die vor allem für kleine hochpreisige Teilmengen relevant sein wird“, sagt Philipp Anhalt, Strategiechef bei DPD Deutschland – einer Art Enkel der schon erwähnten französischen Geopost.

Die Branche ist elektrisiert. Deutsche Post DHL betreibt Deutschlands größte E-Flotte, mit 2 500 Streetscootern mit je vier, acht und ab nächstem Jahr auch 20 Kubikmetern Laderaum sowie 10 500 Pedelecs.

Bei GLS Deutschland, Tochter der niederländischen General Logistics Systems B.V., läuft gerade in fünf Großstädten ein Pilotprojekt, bei dem elektrische Lastenräder dieselbetriebene Fahrzeuge ersetzen. So ein Bike kann 40 Pakete transportieren.

UPS wiederum sortiert seine alten Dreckschleudern nicht nur aus, sondern rüstet die 7,5-Tonner von Diesel auf Stromantrieb um und forscht ferner mit rollenden Laboren an alternativen Kraftstoffen.

Bei der Lösungssuche haben sich die Logistikriesen mit der Industrie und wissenschaftlichen Einrichtungen wie der Hochschule Darmstadt oder der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen verbündet. Die TU Dresden ist dabei: Ihr Lehrstuhl für Verkehrsökologie untersucht im Projekt City2Share den Nutzen eines Lieferkonzepts auf Basis von E-Lastenrädern. Und Rainer König, Inhaber des Lehrstuhls Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, bringt mit Kollegen ein Konzept auf den Weg, das den stillgelegten Güterbahnhof Dresden-Friedrichstadt zur Feinverteilung von der Fernbahn auf Elektroautos für die Innenstadt nutzt.

Kleiner, smarter, näher – das ist der Trend bei den Verteilzentren der Versender, die, wie Amazon, künftig nicht nur am selben Tag, sondern binnen einer Stunde liefern wollen. In Großstädten sind Microdepots angesagt, von wo aus es elektrisch zum Empfänger weitergehen soll.

Auch Post Modern in Dresden, Postdienstleister der DDV-Mediengruppe, die auch die SZ herausgibt, setzt auf elektrischen Rückenwind. Ihre drei- und vierrädrigen Öko-Flitzer heißen Cargo-Roller und Paxster, können bis zu 200 Kilo laden und erleichtern den Boten nicht nur durch beheizbare Griffe die Arbeit. Weil Türen und Gurte fehlen – bei 45 km/h Spitze kein Problem – spart der Zusteller fast zehn Minuten am Tag und das Unternehmen Kosten.

In den USA wird derzeit intensiv, aber noch im frühen Stadium, am „Hyperloop“-Projekt geforscht. Mit einer solchen Großrohrpost könnten Warencontainer in Röhren und in kurzer Zeit von einem Stadtende zum anderen geschickt werden.

Aber es geht nicht nur um innovative Hardware. Der beste Verkehr ist der, der erst gar nicht entsteht. Daher arbeitet etwa Amazon auf der letzten Meile an einem lernfähigen System für die erfolgreiche Zustellung beim ersten Versuch. Das merkt sich beispielsweise Abwesenheitszeiten der Kunden, Ablageplätze, Öffnungszeiten und Nachbarn als Alternativempfänger.

Mit Blick in die Zukunft könnten für Logistikfirmen verschiedene Felder an Bedeutung gewinnen. „Konjunktiv ist angebracht, da auch wir trotz intensiver Trend- und Innovationsforschung stets nur bedingt abschätzen können, in welche Richtung sich unsere Liefergesellschaft entwickeln wird“, sagt Ingo Bertram, Sprecher von Hermes Europa. Die Paketbranche stehe vor großen Herausforderungen. Der Verbraucher verlange immer mehr Präzision und Steuerbarkeit seiner Lieferung, während die Zahlungsbereitschaft dafür auf Minimalniveau verharre – etwa bei „versandkostenfreier“ Lieferung. Zusätzliche Treiber sind Zustellermangel und Auflagen bei Emissionen, die mittelfristig zu Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in City-Gebieten führen könnten.

Die Drohne im DHL-Werbevideo war bei schlechtem Wetter gestartet und bei blauem Himmel gelandet. Werbung eben. Womöglich bekommt die Logistik der übernächsten Generation auch das hin? Eine Geschichte für die Enkel der Enkel.