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Kommentar: Unglück steht für das abgehängte Görlitz

Sebastian Beutler über den Fassadensturz in der Görlitzer Landeskronstraße

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In Görlitz haben wir uns daran gewöhnt, historische Bauten als Segen anzusehen. Sie machen Görlitz zur „schönsten Stadt Deutschlands“. Diesem Ruf folgen Zehntausende Touristen an die Neiße. Rührige Unternehmer versuchen daraus Kapital und Jobs zu schlagen. Das Märchen der Altstadtmillion wäre ohne die vorhandene Bausubstanz überhaupt nicht denkbar. Ein Unglück wie auf der Landeskronstraße führt aber vor Augen, dass viele Denkmale auch eine Last sind. Vor allem wenn sie nicht so herausgehoben sind wie ein mittelalterliches Altstadt- oder ein gründerzeitliches Wohnhaus. Auf der Landeskronstraße ist ein ziemlich x-beliebiges Haus von dem Unglück betroffen. Auch wenn sich die Anzeichen verdichten, dass das Unglück auf fehlendes Engagement der Eigentümer zurückzuführen ist, so sollte man mit vorschnellen Urteilen vorsichtig sein. In dieser Stadt fallen immer mal wieder Türmchen oder Köpfe herunter, wie beim Gymnasium oder beim Kaufhaus in jüngerer Vergangenheit geschehen.

Andererseits steht der Fassadensturz symbolhaft für die schleppende Entwicklung der Landeskronstraße und der westlichen Innenstadt. Die Probleme sind hier am größten: vergleichsweise viele Häuser, die ihrer Sanierung noch harren; viele leer stehende Läden, kaum öffentliches Leben. Zwar versucht die Stadt neue Impulse zu setzen, aber vom hochgelobten Brautwiesenbogen ist noch nichts zu sehen, von den sozialen Projekten am Lutherplatz nichts zu spüren. Klar, das braucht Zeit. Andererseits sind auch andere Pilotprojekte versandet, man denke nur an das Innenhof-Areal Bahnhofstraße-/Landeskronstraße/Löbauer Straße. Das dort extra neu errichtete Gebäude des Quartiermanagements steht leer.

Die Stadt kann nicht alles richten. Aber sie muss ihre Möglichkeiten nutzen. Das tut sie nicht immer. Das Schulgebäude Cottbuser Straße fehlt der Stadt jetzt vorn und hinten, wo sie eine Oberschule benötigt. Eine Schule im Quartier hätte auch Jüngere wieder angezogen.