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Kommentar: Dresden entspannt

SZ-Redakteur Olaf Kittel über das Gedenken zum 13. Februar.

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So würdevoll und ruhig zugleich wurde der 13. Februar in Dresden schon lange nicht mehr begangen. Die Menschenkette rund ums Zentrum einte die Stadt, der Gauck-Besuch sorgte für präsidiale Zuwendung. Jeder konnte ungestört gedenken, wie es ihm gerade ums Herz war. Ohne das übliche Nazi-Getöse. Nach den harten Auseinandersetzungen um Pegida und das Selbstverständnis Dresdens auf ungewohnt großer Bühne atmete die Stadt gestern spürbar auf. Ausgerechnet an diesem Tag.

Vielleicht ist, wenn alles gut geht, dieser 13. Februar 2015 sogar ein Wendepunkt in der Gedenkkultur. Jahrzehntelang prägten die dramatischen Schilderungen der Überlebenden das Bild in den meisten Familien. Die Feuerstürme in der Innenstadt waren mindestens bis in die Siebziger gut nachvollziehbar angesichts markanter Ruinen und Golfplatz-großer Rasenflächen zwischen Elbe und Hauptbahnhof. Damals entwickelten viele neben dem Tamtam des offiziellen Gedenkens persönliche Rituale: Der Gang zum Friedhof oder in die Kirche, dem Lauschen der Glocken am späten Abend zur Angriffszeit, der Treff mit Kerzen vor der Ruine der Frauenkirche. Gestört wurde diese schöne Tradition erst, als die Rechtsradikalen ihre Propagandamärsche hierher verlegten. Lange hat die Stadt gebraucht, um sich darauf einzustellen und Widerstandsgeist zu entwickeln.

Jetzt könnte ein neues Kapitel beginnen. Die Überlebenden werden immer weniger, das Trauerbedürfnis nimmt ab. Junge Dresdner können diesen 13. Februar 1945 nur durch Filme, Bücher und im Panometer nachvollziehen. Dieser zeitliche Abstand ist aber auch eine Chance, das „Nie wieder Krieg“ weiter im Herzen zu tragen, zum leisen Gedenken zurückzukehren oder neue Gedenkformen entstehen zu lassen. Vor allem aber ist es eine Chance, mehr nach vorn zu schauen. Das alte Dresden zu bewahren und mehr über das neue nachzudenken. Unbekannte Türen zu öffnen. Öffentlichen Streit als Errungenschaft wahrzunehmen und vernünftig zu streiten. Es würde Pegida-verunsicherten alten Dresdnern und von Dresden verunsicherten neuen Bürgern gleichermaßen gut tun.