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Kollegiale Stimmgewalt

Monika Zens und Michael Auenmüller singen im Sächsischen Staatsopernchor – und am Freitag beim Semperopernball.

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© Christian Juppe

Von Jana Mundus

Monika Zens betritt eine Männerdomäne. Der kleine Raum im Funktionsgebäude der Semperoper ist den Herren vorbehalten. Die rechte Wand dominieren vier große Spiegel, davor steht jeweils ein Stuhl. Über den Spiegeln sind kleine Regale angeordnet, in denen viele Notenbücher liegen. Auf der linken Seite stehen riesige Schränke. Dazwischen hängt ein schwarzes Stück Stoff, kleine Taschen sind darauf aufgenäht. Aus jeder schauen blank geputzte Herrenschuhe heraus. In gut einer Stunde rollen mobile Kleiderständer ins Zimmer. Eine Mitarbeiterin aus der Kostümabteilung bringt dann die Garderobe für den Abend. Puccinis „La bohème“ steht auf dem Opernspielplan.

„Hier haben wir selten Damenbesuch“, sagt Michael Auenmüller und bietet Monika Zens einen Sitzplatz an. Die 29-jährige Altistin singt derzeit in ihrer zweiten Saison im Sächsischen Staatsopernchor. In der Probenpause kurze Stippvisite in der Garderobe des Kollegen. Wirklich nur ausnahmsweise fürs Foto. Es ist der Raum, den sich Michael Auenmüller ansonsten mit ein paar seiner männlichen Chorkollegen teilt. Die Welt hinter den Kulissen der Semperoper ist strikt getrennt – in Frauen und Männer. Das muss sein. „Schließlich ziehen wir uns hier auch um. Das wäre vor den Damen etwas komisch“, sagt der Tenor.

Michael Auenmüller gehört seit 1987 zum Chor der Semperoper. Ein Traumjob bis heute, sagt er. 1960 in Halberstadt geboren, ist er in einem Theaterhaushalt groß geworden. Die Mutter war Sängerin, der Vater Dirigent. Schon als Kind sang er auf der Bühne im Kinderchor des Harzer Bergtheaters in Thale mit. Als er in Dresden Gesang studieren will, sind die Eltern trotzdem nicht ganz glücklich. „Sie hatten mir geraten, einen anderen Beruf zu ergreifen.“ Das Berufsleben als Sänger – eben kein einfaches und schon gar kein sicheres.

Herausforderung Familienleben

Monika Zens hört aufmerksam zu, wenn ihr Kollege von seinen Anfängen erzählt. Von all den wundervollen Inszenierungen, in denen er schon mit dem Chor auf der Bühne stand. „Das ist doch toll, wenn auch Kollegen, die schon lange im Chor mitsingen, immer noch mit so viel Begeisterung dabei sind“, sagt sie nach einer Weile. Das wäre ja ein gutes Omen für die eigene, hoffentlich langjährige Arbeit im Chor.

Ursprünglich kommt sie aus Oberbayern, fand am Ende der Schulzeit die Leidenschaft für das Singen. Auch sie studierte später an der Dresdner Musikhochschule Gesang. Als sie ihren Bachelor in der Tasche hatte und gerade den Masterstudiengang Operngesang in Leipzig begonnen hatte, wurde eine Stelle im Chor ausgeschrieben. Sie nutzte ihre Chance – und setzte sich gegen die Mitbewerberinnen durch. „Ich weiß noch, als ich an meinem ersten Arbeitstag auf die Oper zulief und dachte: Und hier darfst du jetzt arbeiten, irre!“

Im vergangenen Herbst feierte der Staatsopernchor sein 200-jähriges Bestehen. Ein ganz eigener Organismus sei er, sagt Auenmüller. Knapp 90 Mitglieder zählt er derzeit. „Alle Kollegen auf einmal sehen wir aber leider selten“, erklärt Monika Zens. Nicht immer stehen alle von ihnen auf der Bühne. Bei den Proben am Vormittag, ob musikalisch oder szenisch, sehen sich deshalb immer nur ein paar von ihnen. Momentan ist es noch etwas komplizierter. Weil der Chorsaal saniert wird, probt ein Teil derzeit in Leuben.

Das Leben als Sänger im Staatsopernchor hat einen ganz eigenen Rhythmus. Am Vormittag wird geübt, am Nachmittag ist Pause. Ausruhen ist dann angesagt. Abends stehen sie auf der Bühne. Ein Leben, das schwierig ist für eine Familie. „Da braucht der Partner schon sehr viel Verständnis“, sagt Auenmüller, der heute allein lebt. Kein Wunder, dass sich Paare auch innerhalb des Chors finden. Wenn sie Kinder haben, funktioniert es daheim aber meist nur mit Nanny. Schließlich gibt es Abende, wo beide auf der Bühne stehen.

Der Organismus verändert sich

Am Freitag ist der Staatsopernchor beim Programm des Semperopernballs dabei. Auch für die Sängerinnen und Sänger ein besonderer Abend. Ihren täglichen Arbeitsplatz an diesem Tag ganz verändert zu sehen, die vielen Menschen in feinster Ballrobe zu erleben, das wäre eine ganz einmalige Atmosphäre.

Auch vor diesem Auftritt wird es so sein wie immer. In ihren Garderoben warten die Chormitglieder auf ihren Auftritt. „Manchmal schaut man noch mal in die Noten, oft unterhalten wir uns einfach privat mit den Kollegen“, sagt Michael Auenmüller. Gerade zu den Garderoben-Nachbarn hätten die meisten einen guten Draht. „Bei 90 Leuten kannst du einfach nicht jeden richtig gut kennen.“ In den nächsten Jahren werden immer wieder Sängerinnen und Sänger in den Ruhestand gehen. Dann erneuert sich der Organismus Chor Stück für Stück. Doch gerade das sei spannend. Denn diese Veränderung wird man Stimme für Stimme auch hören können.