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Kohldampf auf Öko

Seit zwei Jahren wird auf dem Schellehof in Struppen die Ernte geteilt. Nicht immer sind sich alle grün.

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© Andreas Weihs

Von Carina Brestrich

Struppen. Noch sind es kleine Büschel. In wenigen Wochen aber sollen aus den grünen Blättchen unterm Folienhimmel Knollen und Rübchen werden. Und die wandern dann in die Kiste, zusammen mit anderen Gemüsesorten, Getreide, Fleisch und Brot. Rund 120 solcher bunt gefüllter Kisten sind voriges Jahr pro Woche auf dem Schellehof in Struppen gepackt worden. Solidarische Landwirtschaft heißt das Konzept, nach dem der Betrieb seit 2014 arbeitet und das landkreisweit noch einmalig ist.

Das Prinzip hinter dem sperrigen Begriff: Mehrere Privatpersonen teilen sich in die Ernte eines landwirtschaftlichen Betriebs. So erhält jeder pro Woche eine Kiste, gefüllt mit dem, was Felder, Beete und Keller saisonal hergeben. Im Gegenzug werden gemeinsam die Kosten und Risiken, die durch dessen Bewirtschaftung entstehen, getragen. Entsprechend einem kalkulierten Richtwert gibt jeder so viel, wie er kann und will. Auf diese Weise wird niemand benachteiligt. „Die Hauptsache ist, dass unterm Strich die Gesamtsumme erreicht wird“, erklärt Landwirt André Türk.

Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin hatte er 2009 den Betrieb übernommen und zum Bio-Hof umstrukturiert. 2014 dann der Start des Projekts „Solidarische Landwirtschaft“. Der eigens dafür gegründete Verein „Lebenswurzel“ zählte damals noch knapp 100 Mitglieder. Voriges Jahr dann konnte der Hof mit seinen 50 Hektar Land bereits fast 120 Mitglieder mit frischem saisonalen Grünzeug versorgen. Zwei Drittel davon stammen aus Struppen und Umgebung, der Rest aus Dresden. Familien, Paare, Alleinstehende – „wir sind eine sehr bunte Truppe“, sagt André Türk. Allerdings gehören nicht alle zum harten Kern. So springen mit Ende jedes Jahres immer wieder Mitglieder ab. Dieses Jahr sind es 30 Ernteabnehmer.

Als Ursache nennt André Türk die unterschiedlichen Bedürfnisse. Gerade weil die Mitglieder so verschieden leben, sei es schwierig, allen gerecht zu werden. Umfragen in der Gemeinschaft helfen, das herauszufinden. „Die einen kommen unter der Woche kaum zum Kochen, wollen mehr Rohkost, anderen wiederum ist es zu wenig“, schildert André Türk.

Verteilung wird geändert

Deshalb will der Verein nun reagieren. „Wir wollen uns lösen von der Idee, dass gerecht ist, wenn jeder das Gleiche in seiner Kiste hat“, sagt er. Stattdessen können die Abnehmer die Mengen einiger Gemüsesorten individueller festlegen. Alles nach dem Solidarprinzip: „Wenn jemand weniger Möhren möchte, kann jemand anderes mehr bekommen“, sagt André Türk. Außerdem sind künftig Getreide, Brot und Brötchen nicht mehr in jeder Kiste, sondern können optional dazubestellt werden. Neu ist das Angebot an Eiern „Wir haben einige Hühner von einem Hof übernommen, der aufgegeben wurde“, erzählt André Türk. Allerdings soll die Flexibilität Grenzen haben: „Wir wollen kein Biokisten-Abomodell sein, bei dem sich jeder aussuchen kann, was er haben will“, sagt André Türk. Es gehe nicht darum, es dem Verbraucher perfekt zu machen: „Im Mittelpunkt stehen der Hof und das Solidar-Prinzip“, sagt er.

Noch sehen sich André Türk und die anderen Ernteabnehmer in der Anfangsphase ihres Projekts. „Wir werden noch ein paar Jahre Geduld brauchen.“ So hofft André Türk auf mehr Stabilität beim Personal, das voriges Jahr häufiger gewechselt hatte. Außerdem ist in den nächsten Jahren eine Reihe an Investitionen zu stemmen. „An einigen Gebäuden auf dem Hof sind über kurz oder lang Sanierungen fällig“, erzählt André Türk. Hinzu kommen mehrere Anschaffungen. Unter anderem möchte der Schellehof einen weiteren mobilen Hühnerhänger kaufen, um noch mehr Hennen anschaffen zu können. „Weil wir momentan nur 45 Hühner haben, können die Verbraucher nur sechs Eier pro Monat bekommen“, schildert André Türk. Geplant ist für dieses Jahr auch, mehrere Bewässerungsschläuche zu kaufen, um Einbußen in Trockenperioden wie im vergangenen Jahr zu vermeiden. „Ich denke, wir werden noch einen langen Atem brauchen“, sagt er.

Wolfgang Stränz hatte den. Bei Hamburg betreibt er seit 25 Jahren einen Hof nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft. Am Wochenende ist er in Sachsen zu Gast, um vor dem Start der neuen Anbausaison über seine Erfahrungen zu berichten. André Türk hofft, dabei auch neue Ernteteiler für den Schellehof zu gewinnen: „Wir sind zwar noch eine Nische, aber eine, die bundesweit größer wird.“

Zur solidarischen Landwirtschaft veranstaltet der Schellehof drei Informationsveranstaltungen: Freitag, 12. Februar, 18 Uhr, in der Montessorischule Dresden, Glashütter Straße 10, Sonnabend, 13. Februar, 15 Uhr, Verein Famil, Schillerstraße 35, Pirna-Copitz. (beide Termine mit Gastredner Wolfgang Stränz), Sonnabend, 5. März, 15 Uhr, in der Montessorischule Dresden.