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Königshain entsetzt über Schmierereien am Bahnhof

Am Freitagabend verunstalteten Unbekannte mit Graffiti Gebäude und Waggons. Seitdem rätselt der Ort über die Motive der Täter.

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Von Constanze Junghanß

Henriette Fiebiger ist entsetzt. Und auch traurig. Nachbarn kommen am Sonnabend zum Grundstück und äußern ihr Unverständnis ob dieser Aktion, zeigen Mitgefühl und schütteln den Kopf: Überall hässliche Farbzeichen an den Wänden, den hinteren Fenstern, Türen und Schlössern. Eine Woche, nachdem der SZ-Bericht über den Transgender in Königshain zahlreiche Leser berührte und allein in der Onlineausgabe der Tageszeitung über 10 000 Menschen erreichte, haben unbekannte Täter das Wohnhaus mit Graffiti beschmiert.

Unbekannte haben das gesamte Bahnhofsgebäude in Königshain mit Graffiti beschmiert. Die Polizei ermittelt. Fotos: Autorin
Unbekannte haben das gesamte Bahnhofsgebäude in Königshain mit Graffiti beschmiert. Die Polizei ermittelt. Fotos: Autorin

Die Gebäudeeigentümerin war zu der Tatzeit nicht zu Hause und entdeckte den Schaden am Freitagabend. Bei Tageslicht, am nächsten Morgen, wird das Ausmaß erst richtig sichtbar: Mehr als 30 Kritzeleien in orange und blauer Farbe wurden auf dem ehemaligen Bahnhofsgebäude hinterlassen. Vom Radweg und den Wanderwegen aus sind die auffälligen Krakeleien zu sehen. Die Zeichen muten wie sogenannte „Tags“ an. Mit „Tags“ werden in der Graffiti-Szene Signaturkürzel bezeichnet, die das Pseudonym des Verursachers darstellen können. Auffällig ist, dass mehrmals der Begriff „Crew“ auftaucht. In der Szene, weiß ein Graffiti-Online-Lexikon, deutet das auf den Zusammenschluss von mehreren Sprayern hin. Henriette Fiebiger, die als Harald Fiebiger geboren wurde und jahrelang im Reichsbahnausbesserungswerk Görlitz arbeitete, erstattete Anzeige bei der Polizei. Die schickte noch am Freitag Beamte an den Ort des Geschehens, am Sonnabend kam die Polizei ein zweites Mal, um Fotos zu machen. „Die Beamten waren etwa drei Stunden vor Ort und haben alles fotografiert, sogar Fußabdrücke“, sagt Henriette Fiebiger.

Der ehemalige Bahnhof befindet sich direkt am Kreisbahnradweg, ist für jeden einsehbar. Und das auffällige Gebäude steht in seiner besonderen Ziegelbauweise unter Denkmalschutz. Henriette Fiebiger hat das Objekt vor einigen Jahren gekauft und war auch im Vorstand des ehemaligen Kreisbahnvereins aktiv. Das ist lange her. Den Kreisbahnverein gibt es nicht mehr. Ursprünglich kursierte die Idee, einen Teil der Strecke als Museumsbahn aufzubauen. Daraus ist nichts geworden. Einige wenige Mitglieder sind in den Königshainer Heimatverein gewechselt und bilden dort die „Sektion Kreisbahn“. Henriette Fiebiger ist nicht unter ihnen.

Auf dem Gelände zwischen Bahnhof und Radweg befinden sich noch die alten Gleise sowie mehrere Waggons in unsaniertem Zustand. Ein Großteil der Gleise gehört der Gemeinde. „Und die Waggons sind Eigentum des Heimatvereins“, sagt Gemeinderat und Vereinsmitglied Armin Pietschmann. Das bestätigt die Königshainer Verwaltung. Die Waggons sind ebenfalls mit Graffiti an den Wänden und Puffern beschmiert worden. Ursprünglich wollte Henriette Fiebiger die Eisenbahn-Zeitzeugen wieder optisch auf Vordermann bringen. Bisher hat das noch nicht geklappt. Laut ihres Wissens standen die Waggons bis etwa 1997 in Ebersbach. Als die Gleise der stillgelegten Kreisbahnstrecke abgebaut wurden, kamen sie nach Königshain. Im kommenden Jahr wollte Frau Fiebiger die Reparatur beginnen und ein Spezialfahrzeug neu mit Holz verkleiden.

Gemeinderat Pietschmann erinnert sich, dass es vor zwei bis drei Jahren schon einmal Probleme mit Graffiti-Geschmiere in Königshain gab. Allerdings nicht in einem solch großen Ausmaß. „Damals waren Trafo-Häuschen betroffen“, sagt der ehemalige Polizist. Den Farbanschlag verurteilt Pietschmann ganz entschieden, sagt aber auch, dass die Gemeinde mit der Optik der rostigen Waggons neben dem öffentlichen Radweg nicht ganz glücklich sei. Eine Lösung wäre aber derzeit keine in Sicht. Gemeinderätin Gudrun Schubert, sieht die „Sprüh-Aktion“ als unmöglich an. „Ich finde das ziemlich schlimm und wundere mich, dass sich Leute dazu hinreißen lassen.“ Beim Melzer-Bäcker – nur wenige Hundert Meter vom Gebäude entfernt – äußerten Verkäuferinnen Unverständnis und Mitleid mit den Betroffenen.

Henriette Fiebiger lebt nicht allein im Bahnhof, sondern mit zwei befreundeten ehemaligen Kolleginnen, die ebenfalls geschockt sind. Zumal der oder die Sprayer – vermutlich an einer Eisenleiter – sogar bis unters Dach geklettert sind. Neben der Dachrinne ist ebenfalls Farbe hingeschmiert. Die Bewohner vom Bahnhof machen sich nun große Sorgen um ihre Sicherheit.