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König ohne Kohle

Team-Kapitän Martin Schmidt führt die Footballer der Monarchs in dieser Saison an – und räumt mit Vorurteilen auf.

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© Birgit Krauch

Von Alexander Hiller

Diese Episode erzählt Martin Schmidt gern. Der 27-Jährige arbeitete damals noch als Physiotherapeut. „Ach, du spielst bei den Monarchs, wieso arbeitest du dann?“, ahmt er seinen damaligen Gesprächspartner nach. Schmidt feixt.

Der Irrglaube ist tatsächlich einigermaßen verbreitet, dass der Football-Erstligist Dresden Monarchs mit einem stattlichen monatlichen Salär verwöhnt. Bei einem Spielerkader von knapp 60 Mann und einem Jahresbudget von knapp 350 000 Euro ist das natürlich Quatsch. „Wir haben einige, die auch bezahlt werden“, sagt Schmidt. Das sind die Importspieler, zumeist aus Amerika. „Die werden nicht königlich entlohnt, nicht wie in der Fußball-Bundesliga. Die können davon ihren Lebensunterhalt bestreiten, leben keinen Luxus“, betont der 1,86 m große Hüne mit dem breiten Kreuz und den muskulösen Armen. Pendler, die extra zum Training oder zu den Spielen stundenlang im Auto nach Dresden düsen, bekommen eine Aufwandsentschädigung.

Die Realität der anderen Spieler sieht banaler aus. „Derzeit sind viele Studenten im Team, fast die Hälfte der Spieler“, sagt Schmidt. Die bereits berufstätigen Akteure gehen ganz normalen Berufen nach. Aaron Wahl arbeitet beispielsweise bei der Dresdner Firma Rolladen- und Markisenbau GmbH, Philipp Most ist Bademeister und Physiotherapeut, Marcus Donner AOK-Plus-Außendienstmitarbeiter, Kirk Benson verdingt sich als Life-Coach, Daniel Stechbarth als Operations Generalist bei Philip Morris.

Wer da Neid und Missgunst zwischen ausländischen Profis und deutschen Amateuren wittert, ist bei Martin Schmidt an der völlig falschen Adresse. „Reibereien gibt es bei uns deshalb überhaupt nicht. Die Profis sind hier, um uns zu helfen, wettbewerbsfähiger zu sein. Das wissen und akzeptieren wir völlig“, sagt er.

Den Beruf auf Eis gelegt

Schmidt selbst gehört zur großen Studenten-Fraktion. Er studiert Englisch und Geschichte auf Lehramt. Seinen Beruf als Physiotherapeut hat er inzwischen auf Eis gelegt. Der Football-Karriere wegen. „Wer ein guter Footballer in Deutschland sein will, muss lange studieren“, zitiert er den deutschen Nachwuchs-Nationaltrainer Martin Hanselmann. Der Anspruch an die eigene Leistung ist bei Martin Schmidt und seinen Kollegen ziemlich hoch.

Obwohl er seinen Sport als Hobby begreift. „Bei meinem Hobby ist es so: Ich bin mit ganz vielen Leuten unterwegs, lerne jedes Mal noch mehr kennen. Ich kann quasi auf jeden Kontinent reisen und bezahle nur den Flug, weil ich da Leute kenne“, zeichnet er die ihm wichtigsten Vorzüge auf. Dabei klingt sein derzeitiger Wochenplan nach einem sehr, sehr anspruchsvollen Freizeitvergnügen. „Ich stehe jeden Tag 7 Uhr auf, bin spätestens 9 Uhr an der Uni. Am Dienstag, Donnerstag und Freitag ist Männertraining“, zählt er auf. Zudem coacht Martin Schmidt zuvor dienstags und freitags jeweils zwei Stunden das Jugendteam der Monarchs. „Montags und mittwochs versuche ich, im Fitness-Studio zu sein.“ In der übrigen Zeit bereitet Schmidt per Videoanalyse die Auftritte der Junior-Monarchs auf und vor. Bei der Sachsenauswahl gehört Schmidt auch zum Trainerstab.

Seinen Lebensunterhalt bestreitet der Anführer der Dresdner Footballer, der sich mit Marcus Donner das Amt des Team-Kapitäns teilt, weitestgehend über Bafög und durch die Unterstützung seiner Eltern.

Weshalb, die Frage liegt nahe, hält Schmidt dann in der Kontaktsportart ohne entsprechende Entlohnung eigentlich seinen Körper hin? „Aus Liebe zum Spiel“, sagt er und klingt dabei keineswegs pathetisch. „Die ganze 1. Liga funktioniert so. Das ist ein Haufen Verrückter.“ Der gebürtige Dresdner erzählt von Teamkollegen, die gewissermaßen sogar gelb-blau bluten – in den Vereinsfarben. „Es ist schön, ein Teil von etwas zu sein, was gerade wächst. Darauf kann man zurückschauen und sagen: Okay, dabei habe ich geholfen.“

Vielleicht gehört diese Leidenschaft für das stark umgebaute Team in dieser Saison zu den wichtigsten Puzzleteilen für eine erfolgreiche Saison. Darauf lassen zumindest Schmidts Eindrücke nach der Niederlage (30:35) und vor dem direkten Rückspiel am Sonnabend gegen Kiel schließen. „Beim Training war am Dienstag Superstimmung. Wir waren alle froh, wieder zusammen zu sein“, erklärt er. „Wir haben keine Zweifel, dass wir eine ordentliche Show abliefern und das Spiel dominieren.“

Dresden Monarchs – Kiel Baltic Hurricanes, Samastag, 15.00 Heinz-Steyer-Stadion