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Köche dringend gesucht

Etliche Dresdner Restaurants müssen wegen fehlender Köche tageweise zumachen.

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© Christian Juppe

Von Julia Vollmer

Die Telefone klingeln im Minutentakt, auf dem Parkplatz vor dem Haus kommen ständig Autos an und fahren wieder ab. Die Mietköche der Agentur Elbtalteam sind gut im Geschäft. Der extreme Fachkräftemangel bei Köchen und Kellnern füllt ihre Auftragsbücher.

„Es gibt mittlerweile überall einen Mangel, wir können uns vor Aufträgen kaum retten“, sagt Paul Engel, Leiter der Dresdner Elbtalteam-Agentur, die 2012 gegründet wurde. Mehrere Monate wie zu Weihnachten oder Silvester oder auch mal einen Tag vor dem Wochenende – bei Engel rufen Gastronomen und Hoteliers an, wenn ihnen die Leute fehlen. Wer genau sie beauftragt, will die Agentur nicht verraten, aber ihre Mitarbeiter haben schon für fast alle Häuser in der Stadt gearbeitet. Ein großer Kunde sind die Filmnächte am Elbufer, der Semperopernball und der G20-Gipfel in Hamburg. Sie vermieten neben Köchen und Kellnern auch Aushilfen für die Küche. „Wir haben einen Mitarbeiterstamm von 300 Leuten, auf die greifen wir zurück, wenn wir einen Auftrag haben“, erzählt Engel.

Und das passiert oft, denn der Fachkräftemangel lässt die Gastronomen zu drastischen Maßnahmen greifen. Sternekoch Stefan Hermann schließt seine Restaurants mittlerweile an zwei Tagen pro Woche, um sein Personal zu schonen. Die Restaurants des Schlosshotels Pillnitz, des Dorinth-Hotels und des Ringhotels Residenz Alt Dresden machen das ebenfalls. Zuletzt musste der Italiener Piazza Nova am Neumarkt Insolvenz anmelden. Der Grund: da Personal fehlt, musste Geschäftsführer Claus-Carsten Heidsieck vermehrt Mietköche einkaufen, das kostet viel Geld. 20 bis 30 Euro pro Stunde können fällig werden. Mieten muss auch Johannes Lohmeyer, Chef des Courtyard by Marriott und gleichzeitig Vorsitzender des Tourismusverbandes. „Wir machen das laufend“, sagt Lohmeyer.

Denn Köche und Kellner sind schwer bis gar nicht zu finden. Es werden immer weniger junge Menschen in den Berufen ausgebildet. Während 2007 noch 629 Azubis in Dresden ihre Lehre zum Koch begonnen haben, waren es 2016 nur noch 189, so Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer. Das weiß auch Siri Leistner, die das Berufsschulzentrum für Gastgewerbe leitet. Während 2011 noch 192 junge Leute ihre Ausbildung zum Restaurantfachmann oder zur -frau und 404 Koch-Azubis anfingen, waren es 2016/17 noch 106 Kellner und 266 Köche.

Gründe, warum junge Menschen immer weniger Lust haben, den Beruf zu erlenen, gibt es einige: schlechte Bezahlung, familienunfreundliche Arbeitszeiten und kaum noch Trinkgeld. Dieses seien die Ursachen, warum so viele Köche und Kellner von festen Jobs zu ihnen in die Mietkochagentur wechseln, beobachten Paul Engel und seine Kollegen. „Bei uns arbeiten sehr viele Mütter, die aufgrund der Kita-Öffnungszeiten nur die Frühstücksschicht übernehmen können“, sagt der Chef. In anderen Betrieben hätten die Frauen Probleme, Kind und Beruf zu vereinen. Bei der Agentur werde auf ihre Dienstplanwünsche eingegangen. Das probieren andere Gastro-Betriebe zwar auch, aber dort sei es schwierig, berichten viele ehemalige Gastronomie-Angestellte auf der Facebookseite der Sächsischen Zeitung.

„Ich würde selbst auch keine Schichten mehr arbeiten wollen, denn ich habe drei Kinder“, erzählt Paul Engel, selbst gelernter Koch. Auch wer keine Kinder hat, will nicht jedes Jahr zu Weihnachten und Ostern an jedem Wochenende arbeiten. Wie viel sie ihren Mitarbeiter bezahlen, wollen die Jungs vom Elbtalteam mit dem Hinweis auf die Konkurrenz nicht verraten. „Tariflohn und manchmal mehr“ sei es aber schon. Konkreter wird er nicht.

Genau diesen bezahlen viele Gastronomiebetriebe anscheinend nicht. Das beobachtet zumindest die Gewerkschaft. „Der tarifliche Stundenlohn in der untersten Tarifgruppe beträgt in Sachsen 9,08 Euro brutto“, sagt Karin Vladimirov von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Eine ausgebildete Fachkraft bekäme monatlich 1669 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche. Allerdings seien bundesweit nur ein Drittel der Unternehmen tarifgebunden. Das heißt, oft arbeiten die Beschäftigten zum Mindestlohn. „Und der wird oft auch noch unterschritten, indem Überstunden nicht dokumentiert und nicht bezahlt werden“, so die Sprecherin. Das Gastgewerbe habe es selbst in der Hand, etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun: bessere Tarifverträge, bessere Ausbildung, bessere Arbeitsbedingungen.

Paul Engel und seine Leute suchen auch weiter Nachwuchs für ihre Agentur. Auch sie merken den Nachwuchsmangel. Bekamen sie früher auf eine Stelle zehn Bewerbungen, sind es heute noch vier. Beim Semperopernball an diesem Freitag sind sie mit vielen Mitarbeitern im Einsatz.