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Kodersdorfer Heimatgeschichte(n)

Neuntklässler bringen historisch Erstaunliches zutage. Sie machen neugierig auf mehr.

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© Jens Trenkler

Von Frank-Uwe Michel

Kodersdorf. Emma (14) aus Kunnersdorf findet die Geschichte des Ortes interessant, in dem sie zur Schule geht. Deshalb hat sie sich auch für den Neigungskurs „Geschichte neu erleben“ entschieden, der an der Kodersdorfer Adolf-Traugott-von-Gersdorf-Oberschule von Helmut Walter angeboten wird. Auch Florian (14) ist begeistert. Er wohnt in Wiesa und hat sich mit der Vergangenheit seines Dorfes schon beschäftigt. „Weil ich wissen will, was früher so los war hier. Manches, was ich jetzt erfahre, ist aber auch für mich neu.“ Dass Räuberhauptmann Karasek für ein paar Jahre in dem Ort wohnte, aber nicht. Das hatten schon die Vorgänger des jetzigen Neigungskurses herausbekommen. Das Gebäude gibt es längst nicht mehr, an seiner Stelle steht jetzt ein Einfamilienhaus.

Solche Details sind es, die das Stöbern in der Heimatgeschichte so interessant machen. Mit ihnen will Helmut Walter seine Schüler locken, sie zum Hierbleiben motivieren. Und sie haben einen praktischen Hintergrund: Mit dem Wissen, das die Schüler aus den Akten filtern, werden Sichttafeln bestückt, die an prägenden Gebäuden, Denkmalen und anderen Objekten in Kodersdorf und seinen Ortsteilen angebracht werden und Touristen wie Einheimischen interessantes Geschichtswissen vermitteln sollen. Er sei nicht der Erfinder dieser Tafeln, erzählt Walter. Bei Spaziergängen im Zittauer Gebirge habe er sie zum Beispiel in Waltersdorf entdeckt. „Und da ich auch Ortschronist von Schöpstal bin und immer wieder nach Besonderheiten unserer Gemeinde gefragt werde, habe ich ähnliche Tafeln selbst entwickelt und von Girbigsdorf bis Kunnersdorf aufgehängt.“

Nun also Kodersdorf. Im Ratssaal der Gemeindeverwaltung haben die 16 Neuntklässler Berge von Aktenordnern aufgetürmt. Chroniken der vergangenen Jahrzehnte, 100 Jahre Feuerwehr, die Geschichte des hiesigen Dachziegelwerkes und vieles andere mehr. „Es geht um akribische Faktensuche“, gibt Lehrer Walter seinen Schützlingen mit auf den Weg. In vier Gruppen für Kodersdorf, Särichen, Wiesa und Kodersdorf-Bahnhof vertiefen sie sich in die Historie. So geht es in Kodersdorf zum Beispiel um das Kriegerdenkmal, das Rittergut Schönfelder und die erste Schule von Rengersdorf. Für die Särichener Heimatforscher stehen unter anderem die Geschichte der Feuerwehr und des Gerichtskretschams auf dem Aufgabenzettel. In Wiesa will man Näheres über den Postillion-Gedenkstein und die alte Schule herausbekommen. Und in Kodersdorf-Bahnhof liegt das Interesse hauptsächlich auf dem Dachziegelwerk und der Schule. Wo das Material in den Unterlagen spärlich ist, empfiehlt Helmut Walter seinen Schülern den Besuch direkt vor Ort.

Bis Mitte Januar soll alles fertig sein, dann bekommt die Gemeinde das Material noch einmal zum Lesen und eventuell Korrigieren. Danach wird es, mit Bildern versehen, von einer Görlitzer Firma zu Sichttafeln verarbeitet, die der Bauhof schließlich an den beschriebenen Objekten anbringt. 14 Tafeln hat der erste Neigungskurs unter Walters Leitung schon gemacht, 17 weitere kommen jetzt hinzu. „Ohne die Kooperation mit der Gemeinde wäre das nicht zu machen gewesen“, lobt der Geschichtslehrer, der zum 1. Februar 2018 in Rente geht, seinem Projekt an der Kodersdorfer Oberschule jedoch verbunden bleiben will. „Wenn man mich braucht, werde ich zur Verfügung stehen. Ich denke, wir haben etwas Gutes auf die Beine gestellt, das durchaus seine Fortsetzung finden kann“, ist Walter überzeugt.

Er weiß dabei die Gemeinde weiter hinter sich. Denn kürzlich wurde dort die Idee geboren, Tafeln auch für solche Objekte zu erarbeiten, die es gar nicht mehr gibt, die aber nicht gänzlich in Vergessenheit geraten sollen.

Helmut Walter selbst hat ein weiteres Ziel vor Augen: „Ich könnte mir vorstellen, das Material der Sichttafeln zur Grundlage für einen historischen Kalender und damit in der Bevölkerung noch bekannter zu machen.“ Er sieht sogar noch Potenzial in der Region. „Auch Horka ist sehr geschichtsträchtig, ebenso wie Markersdorf oder Reichenbach. Wenn sich diese Gemeinden ebenfalls dazu entschließen würden, könnte ich mein Wissen dort weitergeben.“