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Kochen mit Prinzipien

Gulasch, Bratkartoffeln und Fisch – das Geisinger Team um Heidi Ertel bereitet jeden Werktag mehr als 400 Portionen zu.

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© Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Altenberg. Es dampft und brodelt. Heidi Ertel ist in ihrem Element. Sie greift mit zwei Kellen in den Behälter, in dem Bratkartoffeln garen. „Ich muss sie regelmäßig wenden, sonst brennen sie mir an“, sagt sie und lächelt. Dann greift sie wieder in den Behälter. Seit mehr als 40 Jahren steht die Geisingerin hinter Töpfen und Pfannen, um für andere zu kochen. Nach der politischen Wende 1990 machte sie sich selbstständig. Anfangs kochte sie für die Mitarbeiter der Glashütter Pappen- und Kartonagenfabrik, seit 1992 auch für Kindergartenkinder, Schüler, Angestellte und Senioren.

Heidi Ertel schneidet den Schweinebraten in feine Scheiben.
Heidi Ertel schneidet den Schweinebraten in feine Scheiben. © Egbert Kamprath
Gegen 10 Uhr beginnt sie, das Essen an die Kindergärten, Firmen und Senioren auszuliefern.
Gegen 10 Uhr beginnt sie, das Essen an die Kindergärten, Firmen und Senioren auszuliefern. © Egbert Kamprath

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Zahl der Portionen, die ihre Küche von Montag bis Freitag verlassen, ist in den letzten Jahren fast konstant geblieben. Es sind 300 Kinder- und 120 Erwachsenenportionen. Nur in den Ferien sinkt die Zahl.

Heidi Ertel greift zu einem Plastiksack, in dem sich geschälte Kartoffeln befinden. „Die bekomme ich von einem meiner Lieferanten“, sagt sie. Selbstschälen wäre bei der Menge, die das vierköpfige Team in der Küche zu kochen hat, zu aufwendig. Deshalb kauft sie die Kartoffeln geschält ein. Die Knollen fallen ins Wasser, werden gekocht. Später werden sie mit einer Maschine in Scheiben geschnitten. Auch aus ihnen sollen Bratkartoffeln werden.

Heidi Ertel, deren Kantine sich seit 1996 im Geisinger Leitenhof befindet, verzichtet auf Konservierungsstoffe und Aromen. „Die Kinder bekommen die schon in der Babynahrung, in Pommes und Ketchup“, sagt sie. Den Geschmacksnerven tue das nicht gut. Deshalb hat sie ihre Küche vor gut fünf Jahren umgestellt. Sie verwendet auch keine Brühwürfel. „Brühe machen wir selbst. Das ist zwar teurer, dafür aber natürlich.“ Das Telefon klingelt. Heidi Ertel hebt ab. „Hallo Kindergarten Geising!“ Dann nimmt sie einen Stift und notiert die Essenswünsche. Bis 8.30 Uhr haben die Erzieherinnen Zeit, die Zahl der Portionen durchzugeben. Mitarbeiter von Firmen und Rathäusern sollten das bis 9 Uhr tun.

Heidi kocht gleich mehrfach

Mit diesem Modell ist die Köchin bisher gut gefahren. Sie hat auch eine Art Qualitätskontrolle eingeführt. Jede Kindereinrichtung bekommt in der Woche einen Speiseplan mit, auf dem die Erzieherinnen vermerken können, wie das Essen geschmeckt hat. Die Kitas nutzen diesen Service, sagt die Köchin und holt eine Mappe hervor, in der sie die Fragebögen sammelt. Wahllos greift sie hinein. „Lob für den Gulasch. Das Essen hat geschmeckt. Zu wenig Zucker im Milchreis.“ So und so ähnlich fallen die Kommentare aus. Heidi Ertel bemüht sich, die Tipps zu beherzigen. Trotzdem folgt sie ihren Grundsätzen: lieber weniger Zucker und nicht so viel Salz. Wem das fehlt, der könne zum Streuer greifen.

Doch nicht nur Erzieherinnen ermuntert sie, sich zu äußern. Auch Eltern bittet sie um Rückmeldung, falls die Kinder zu Hause über das Essen nörgeln. „Es ist besser, die Eltern melden sich gleich bei mir“, sagt sie. So baue sich kein Frust auf, der sich dann beim nächsten Elternabend geballt entlädt. Auch das habe sie erlebt. Dann heißt es, gute Argumente haben.

In der Küche sind andere Fähigkeiten gefragt. „Als Köchin muss man Kraft haben.“ Es komme schon vor, dass sie 25 Kilogramm schwere Töpfe und Säcke heben müsse. Ansonsten sollte man nicht nur gute Geschmacksnerven haben, sondern auch planen können. Schließlich köcheln verschiedene Speisen parallel nebeneinander. Heidi Ertel muss auch die Tagesplanung im Blick haben. Denn abends arbeitet sie auch als Caterer für Familien und Firmen. Und auch das Imbissstübel im Wildpark Osterzgebirge bewirtschaftet sie mit ihrem Team. Eine Köchin sollte aber auch experimentierfreudig sein. „Ab und zu probiere ich etwas Neues aus.“ Inspirieren lasse sie sich von Speisen, die sie auf Urlaubsreisen kennenlernte. Zu Hause kommen diese Gerichte meist auch gut an, manchmal aber auch nicht.

Lieblingsgericht? Fehlanzeige!

Jetzt steht Heidi Ertel an der Schneidemaschine. Vor ihr liegt ein Schweinebraten, den sie in feine Scheiben schneiden will. „Nicht jeder mag Fleisch“, sagt sie. Erst kürzlich meldete sich der Kindergarten Geising bei ihr mit der Bitte, gänzlich auf Fleisch zu verzichten. Heidi Ertel, die regelmäßig Schulungen besucht, glaubt nicht, dass das gut ist. Fleisch gehöre für sie zu einer ausgewogenen Ernährung dazu, genauso wie Süßspeisen, Eintöpfe und Fisch. Deshalb hat sie von jedem Gericht jeweils eines im Wochenplan. Da aber der Kindergarten darauf bestand, erfüllt sie diesen Wunsch und bringt ein Beispiel: „Der Eintopf wird nun ohne Fleisch gekocht. Das kann sich jeder selbst hineintun.“

Heute gibt es Wahlessen. Im Angebot sind Bratkartoffeln mit Rührei und einer Gemüsebeilage sowie Schweinefleisch mit Spätzle. Dazu wird ein Apfel serviert. Ihr Lieblingsgericht sei das nicht, sagt Heidi Ertel. „Ich habe keins.“ Es gibt nur eins, was sie nicht mag: Spinat. Trotzdem steht auch dieser regelmäßig auf dem Speiseplan. „Den kochen meine Kolleginnen“, sagt sie. Gegen 9 Uhr wird es ruhig in der Küche. Der Berg Bratkartoffeln ist verteilt und liegt – so wie das Rührei – portioniert in Assietten. Diese packt Heidi Ertel in einen großen Kunststoffbehälter, den sie im Auto verstaut. Kurz vor 10 Uhr werden die Bratkartoffeln zu „Essen auf Rädern“. Heidi Ertel bringt es zu ihren Kunden. Ihre heutige Tour führt sie nach Altenberg, Schellerhau, Kipsdorf und Hirschsprung.

Nach dem Mittag kommt sie zurück, um aufzuräumen. Gegen 13.30 Uhr ist Schluss. Ein arbeitsreicher Tag ist zu Ende. Den Feierabend genießt Heidi Ertel am liebsten in Familie. „Die gibt mir viel Kraft. Deshalb ist es mir wichtig, viel Zeit mit ihr zu verbringen.“ Da sie am nächsten Tag wieder um 5 Uhr in der Küche stehen muss, geht’s zeitig ins Bett.