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Koall: Der Dresden-Mief muss weg

Robert Koall hat sich als Chefdramaturg des Staatsschauspiels Dresden von Anfang an in die Debatte um Pegida eingebracht. Nun zieht er eine gemischte Bilanz.

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© Matthias Horn/Staatsschauspiel Dresden

Dresden. Dresden braucht nach Ansicht des Theatermachers Robert Koall auf dem Weg zu einer weltoffenen Stadt dringend Hilfe von außen. „Dresden sollte froh sein über jeden Einfluss, der von draußen kommt“, sagte der Chefdramaturg des Staatsschauspiels Dresden im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Zum Ende der Spielzeit wechselt der gebürtige Kölner, dessen Frau aus Kiel stammt und dessen Tochter in Dresden zur Welt kam, ans Schauspielhaus Düsseldorf. Unter seiner Mitarbeit entstand jetzt in Dresden ein Stück, in dem es auch um Pegida und Versäumnisse des Bürgertums in der Elbestadt geht.

Seit gut einem Jahr demonstrieren die selbst ernannten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ durch Dresden. Hadern Sie mit der hiesigen Politik?

Das Phänomen Pegida ist größer als nur die Leute, die auf dem Theaterplatz stehen. Das größere Problem liegt darin, dass diejenigen, die nicht zu Pegida gehen, keine Pegida-Gegner sind. Die machen das Stadtklima aus, den Frust darüber, wie träge die Masse in Dresden ist. Nach meinem Empfinden ist die Politik in Sachsen und in Dresden nicht taktgebend, richtungsweisend und vorbildhaft. Ich empfinde das lediglich als passive Demokratie. Man reagiert, agiert aber nicht. Mir blieb die Spucke weg, als die Stadt gerade an einem Tag wie dem 9. November eine Pegida-Demo auf dem Theaterplatz zuließ.

Sie werden Dresden bald verlassen. Überwiegt im Rückblick wegen Pegida eher der Frust?

Nein. Man darf sich von einer Gruppierung auch nicht alles kaputt machen lassen. Es gibt ja auch Momente bei Pegida, die unfreiwillig komisch wirken und über die man sich kaputtlachen könnte. Das Problem ist: Wenn einem dann einfällt, welche sehr reale und unlustige Folgen das hat, verkneift man sich das Lachen. Die Gesellschaft hat eine Politisierung durchgemacht, der Diskurs ist stärker geworden. Damit ging auch die Erkenntnis einher, wie komplex viele Themen heute sind. Ich bin nicht froh, die Stadt zu verlassen, ich bin in Dresden verliebt. Aber Pegida und alles, was damit zusammenhängt, hat mir das auch ein wenig verleidet.

Wie nehmen Sie Pegida heute wahr, in welche Richtung geht das?

Man blickt bei ihren Anhängern auch in riesige Abgründe von politischer und historischer Unbildung. Bei Pegida bewegt sich im Grunde nichts mehr. Ankündigungen folgen keine Taten. Momentan sehen wir noch die Essenz der Bewegung. Vermutlich pendelt sich das auf dem gegenwärtigen Level ein. Wenn denen nicht bald was Neues einfällt, sind die wohl weg vom Fenster. Die Frage ist aber vielmehr: Was ist mit den anderen? Wenn sich Pegida irgendwann auflöst, ist der Spuk zwar vorbei. Aber geändert hat sich eigentlich nichts, denn die Leute sind immer noch da. Das ist auch eine frustrierende Vorstellung.

Was wünschen Sie sich für Dresden?

Hier müssen Leute mit ganz anderen Erfahrungshorizonten her; die hier leben wollen, weil es eine der tollsten Städte der Welt ist. Unlängst hatte ich eine Wissenschaftlerin aus Indien zu Gast. Die schwärmte davon, welch Mischung aus Wissenschaft, Kultur und Natur Dresden darstellt - und das alles in einer noch übersichtlichen Größe. Sie hat mir gesagt: Ihr hättet die perfekte Stadt, wenn ihr sie nicht gerade selbst zugrunde richten würdet. Der Dresden-Mief muss weg. Schon 100 Kilometer weiter in Leipzig weht ein ganz anderer Wind. Dresden soll froh sein über jeden Einfluss, der von draußen kommt. Dresden braucht Hilfe. Wir brauchen Fremde. (dpa)