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Barkas knatternde Stadtrundfahrt

Wer mal im legendären Kleinbus durch die Stadt fahren will und Lust auf Anekdoten hat, der sollte hier einsteigen.

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© René Meinig

Von Henry Berndt

Anschnallen nicht nötig! Barkas „Norbert“, Baujahr 1970, gilt verkehrstechnisch als Bus. Trotzdem ist es ein komisches Gefühl, so lose auf der Rückbank zu sitzen. Glücklicherweise wird der Wartburg-Zweizylinder-Motor mit seinen 46 PS aber sowieso nicht ausgereizt – schließlich will man ja draußen was sehen.

Bis jetzt war die Firma Invievans vor allem dafür bekannt, dass sie nostalgische VW-Campingbusse vermietet. Jan Böckenhauer hat das Unternehmen 2013 gegründet. Inzwischen stehen 30 Gefährte in seiner Halle auf dem Industriegelände. Dort lief Jan im vergangenen Jahr zufällig Paul Immel über den Weg, einem studierten Musiker, Jazzschlagzeuger in mehreren Bands. Spontan stieg Paul neben seinen Gigs bei Indievans ein. Anfangs war er vor allem dafür zuständig, die Autos zu den Kunden zu bringen. Jetzt aber hatte er eine neue Herausforderung zu meistern: Er konzipierte eine Stadtrundfahrt, die zu dem lässigen Stil von Indievans passt. Dafür wurde ihm neben Barkas „Norbert“ auch Bulli „Horst“, Baujahr 1977, zur Seite gestellt. Im Barkas haben sechs Gäste Platz, im Bulli sieben. Die anderen beiden sind für den Fahrer und einen Guide reserviert.

Bislang haben Dresdner und Touristen die Wahl zwischen einer Tour durch die Altstadt inklusive Picknick auf den Elbwiesen bei entsprechendem Wetter und einer Neustadt-Tour mit diversen Stopps, kleinen Spaziergängen und Veranstaltungstipps für den Abend. Beide Fahrten dauern rund zwei Stunden und starten und enden am Neustädter Bahnhof. Getränke sind inklusive. Wenn Paul vorher noch beim Bäcker vorbeikommt, manchmal auch ein Stückchen Kuchen.

Die Indievans-Macher sehen sich nicht als Konkurrenz zu den großen roten Doppelstockbussen – eher als hippe Alternative. Mit Norbert und Horst kommen sie auch durch die kleineren Gassen, vor den die roten Riesen kapitulieren müssen. Außerdem sei keine Fahrt wie die andere. „Unser großer Trumpf ist die Individualität“, sagt Paul. „Durch die begrenzte Personenzahl können wir fast auf jeden Wunsch eingehen.“ Auch komplett andere Routen sind kein Problem. Ist eine Gruppe besonders an der Kneipenszene interessiert, dann bekommt sie eine Kneipenrunde maßgeschneidert, will jemand lieber prächtige Villen sehen, dann wird auch dafür eine Tour zusammengestellt.

Bislang werden die Fahrten nur auf konkrete Anfrage hin angeboten, feste Termine gibt es noch nicht. „Das Projekt ist ja gerade erst angelaufen“, sagt Paul, der selbst einer der Fahrer ist. Deswegen musste er unlängst auch seinen Personenbeförderungsschein erwerben. Seit Juni wurden bislang ein Dutzend Touren gebucht. Ein einzelner Platz ist für 45 Euro zu haben, das komplette Auto kostet 249 Euro.

Im knatternden Barkas Norbert wird es unterwegs mächtig laut, aber auch das gehört zum Charakter. Besonders auf der holprigen Neustadt-Runde muss Tourguide Jule gut bei Stimme sein, um die Gäste mit ihren Anekdoten zu unterhalten. So wie der vom Restaurant Raskolnikoff in der Böhmischen Straße. In den 80ern hatten Dresdner Künstler das Haus als Atelier- und Lebensraum besetzt, erfährt man. Die brachten damals ein Pappschild an der Tür an, auf dem zu lesen war: Außenstelle der Kunsthochschule. Das habe die Volkspolizei beruhigt.

Geschichten wie diese hat Jule eine Menge parat. Nein, eine gewöhnliche Stadtrundfahrt ist das nicht.

www.indievans-touren.de