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Knatsch ums Essen

Das Haselbachtal hat einen neuen Versorger für Kitas und Schule gefunden. Die Preiserhöhung ruft Kritiker auf den Plan.

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© dpa

Von Ina Förster

Haselbachtal. Wenn eine Tür zugeht, dann wird sich eine neue öffnen. Manchmal passiert das ohne Aufsehen, im besten Fall mit Glückwünschen. Im Fall der Betriebsküche Regina Guhr in Bischheim funktionierte das bis zur ehrenvollen Verabschiedung gut. Die Seniorin bekam eine Torte geschenkt, Blumen sowie eine Dankesrede der Bürgermeisterin. Über zwei Jahrzehnte hatte sie sich um die Essensversorgung aller Kita-Kinder und der Schüler des Haselbachtales gekümmert.

Eine Elterninitiative aus 28 Eltern beteiligte sich am schriftlichen Widerspruch. Aus der Kindertagesstätte Reichenbach gab es im Namen der Eltern ein Schreiben an die Gemeinde. Andere Eltern protestierten telefonisch oder vor Ort in den Kitas.
Eine Elterninitiative aus 28 Eltern beteiligte sich am schriftlichen Widerspruch. Aus der Kindertagesstätte Reichenbach gab es im Namen der Eltern ein Schreiben an die Gemeinde. Andere Eltern protestierten telefonisch oder vor Ort in den Kitas. © privat

Der neue Essensversorger sollte die Firma Catering und Partyservice Parkidylle aus Bischheim sein. Das hat man in Vorbereitungszeit von einem Jahr verhandelt. Doch Sven Dünnebier ist nicht nur Gastronom und Haselbachtaler, sondern auch Gemeinderat. Für ihn wäre die künftige Arbeit als Lieferant für Hunderte Essen eine neue Herausforderung. Mit der Vergabe geht allerdings eine nicht unerhebliche Preiserhöhung einher. Wohl auch, weil Regina Guhr bislang echte „Friedenspreise“ anbot und sehr preisgünstig im Vergleich zu anderen lieferte. Laut einer privaten Elterninitiative, in der sich 28 Eltern aus dem Haselbachtal zusammengefunden haben, soll die Erhöhung nun 30 Prozent ausmachen. Dass solche Einschnitte ins Portemonnaie nicht klaglos hingenommen werden, wundert nicht. Zwei weitere Familien stellten sogar eine Dienstaufsichtbeschwerde beim Landratsamt gegen die Vergabe der Gemeinde.

Mit dabei bei der Elterninitiative ist Jan Pötzscher. Der Häslicher ist bekannt durch seinen Blog im Internet „Bunte Nachbarschaft“. In Zeiten, als es noch ein Asylbewerberheim vor seiner Haustür gab, erzählte er unaufgeregt von Ereignissen rund ums Heim. Nun nutzt er diese Plattform für das Thema Essensversorgung der Haselbachtaler Kinder. „Es gibt Situationen, bei denen kann man nicht einfach still sein und geduldig alles hinnehmen“, meint er.

Die Schule informierte die Elternvertreter zwar im November darüber, dass ab Juli der Catering und Partyservice um Sven Dünnebier übernimmt. „Mehr Infos gab es allerdings nicht, sondern die Ankündigung, dass es bis März ein weiteres Gespräch dazu geben würde, bei dem über Preise und Speisepläne gesprochen werden soll“, erinnert er sich. Dazu kam es aber nicht.

Deutliche Mehrkosten

Familie Pötzschers Kinder zum Beispiel gehen an die Grundschule Gersdorf. Dort fand eine Sitzung des Elternrates statt. Und auch das Thema der Essensversorgung wurde von der Schulsprecherin angesprochen. Das war am 28. Mai. „Und bereits am 31. Mai vergab der Gemeinderat die Essensversorgung an Herrn Dünnebier. Das hat uns verwundert. Beschlossen wurde außerdem, dass es künftig eine Servicepauschale von 85 Cent geben soll, die pro Essen an die Firma Richter Gebäudereinigung gezahlt wird“, erklärt der Familienvater. Damit war man nicht einverstanden.

Bei zwei Schulkindern betragen die Mehrkosten pro Jahr 340 Euro. Zum Hintergrund: Das Essen in der Grundschule soll künftig 3,35 Euro kosten (2,50 Euro Essen plus Servicepauschale), in den Kitas 3,10 Euro (2,25 Euro plus+ Servicepauschale). Im Vergleich zu anderen Anbietern ein durchaus marktfähiges Angebot. „Wir möchten noch einmal feststellen, dass es uns auch nicht um Qualität geht oder ob das Essen künftig besser oder schlechter schmeckt. Darüber kann noch keiner urteilen“, so Pötzscher. Vielmehr stört einige Eltern die Art der Auftragsvergabe.

In der Gemeindeverwaltung wartete man bis vor Kurzem auf die Antwort des Rechts- und Kommunalamtes. „Wir als Gemeinde schoben einem Gemeinderat übrigens nicht blauäugig einen Auftrag zu, sondern dachten zu allererst an eine vernünftige Lösung des Mittagessenproblems in unseren drei Kitas und der Grundschule“, sagt Bürgermeisterin Margit Boden dazu. „Dabei spielten viele Faktoren eine Rolle. Einer ist dabei die Verantwortung für alle unsere Gewerbetreibenden im Ort und es galt nach der Schließung der Küche Guhr, den verbleibenden Mitarbeitern eine Zukunft zu geben. Wer wollte, konnte also sofort in der neuen Küche weiterarbeiten.“

Kritik vom Amt

Die Prüfung der Rechtsaufsichtsbehörde war unterdessen tiefgründig. Fazit: Die Vergabe wegen Verstoßes gegen Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit wurde beanstandet. Außerdem die Vorlagepflicht nach Sächsischem Gemeindegesetz. Der Ausschluss beim Vergabeverfahren wegen Befangenheit des Ratsmitgliedes Dünnebier wurde zwar beachtet. Auch beim Ablauf der Sitzungen, Beratung und Beschlussfassung sei nichts zu beanstanden und die Elternvertreter wären rechtzeitig über die Pläne informiert worden. Eine weitere direkte Beteiligung fand aber leider nicht statt. Die Eltern sollten künftig besser in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, riet man der Gemeinde. Auch die beanstandete Kurzfristigkeit der Entscheidung war Thema. Zudem wäre es besser gewesen, Vergleichsangebote einzuholen.

Der Vorwurf, dass man Sven Dünnebier gemeindliche Unterstützung gewähren wollte, könnte sich mittlerweile nochmals auf die Höhe des künftigen Essengeldes auswirken. Seine bisherige Preisgestaltung war nur möglich, weil die Gemeinde ihm die kostenlose Bereitstellung von Räumen, Medien und Ausstattung in Aussicht gestellt hatte. Grundsätzlich sollte natürlich einem Gemeinderat so etwas jedoch nicht angeboten werden, kritisierte auch das Amt. Sollte Dünnebier also weiter für die Kinder kochen dürfen, muss er mit den Mietpreisen neu kalkulieren. Damit könnte es teurer werden. Seit 1. Juli ist er der vorübergehende Essenslieferant. Die Versorgung musste schließlich übergangslos weiter gehen. Und sie klappt bisher gut.

Die Elterninitiative freut sich grundsätzlich über ihren Erfolg der Demokratie: „Am 1. August findet eine Sitzung zur Abstimmung bezüglich der zu beteiligenden Anbieter mit den Elternvertretern statt“, so Jan Pötzscher. „Es sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die Gemeinde erst auf Druck des Amtes, ausgelöst durch die Einschaltung einer Anwaltskanzlei, zu diesem Schritt gedrängt wurde.“

Bürgermeisterin Margit Boden: „Wir als Verwaltung und Gemeinderat werden uns nun mit der Ankündigung der Neuvergabe zurückhalten. Nach Vorgabe des Rechts- und Kommunalamtes werden wir die Leistungskriterien zum 1. August erarbeiten und den Elternvertretern übergeben. Diese können entscheiden, welche Essenversorger infrage kommen. Die Entscheidung, wer ab Oktober 2018 die Mittagessversorgung liefern wird, treffen nun allein die Eltern.“ Bleibt zu hoffen, dass es bald eine gute Regelung im Sinne der Kinder gibt.