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Klostermühle soll Asylbewerberheim werden

Bei der Industriebrache am Kloster scheiterten schon einige Ideen. Nun will der Besitzer im früheren KZ-Außenlager Asylbewerber unterbringen.

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© hübschmann

Von Christoph Scharf

Die Scheiben sind zerschlagen. Die Dächer undicht. Durch die einstigen Werkhallen fliegen Schwalben. Seit mehr als 20 Jahren steht die frühere Klostermühle hinter dem Klosterpark Altzella leer. Nur noch ein Schriftzug an der Fassade erinnert an die Vergangenheit als „VEB Möbelfabrik Nossen“, der vor allem für seine Schlafzimmer-Produktion bekannt war. Gute Exportware, die damals sowohl zu Ikea ging als auch über Mukran in die damalige Sowjetunion verschifft wurde.

Von dort stammte auch ein Großteil der mehr als 600 Häftlinge, die 1944/45 auf dem Areal der Klostermühle Zwangsarbeit leisten mussten. Damals bestand dort ein Außenlager des KZ Flossenbürg. Die ersten Häftlinge zogen 1944 in die Keller der Klostermühle, bevor sie in der Nachbarschaft ein Barackenlager errichteten. Anschließend fertigte ein Teil von ihnen in den Fabrikgebäuden Waffenhülsen für die Firma Warsitz, andere stellten in Roßwein Aluminiumlegierungen für Flugzeuge und sogenannte V-Waffen her. „Insgesamt starben von den etwa 650 nach Nossen überstellten Gefangenen in Nossen mehr als 100“, sagt Ulrich Fritz von der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, der sich intensiv mit den KZ-Außenlagern beschäftigt hat. „Der Wert ist eine ziemlich hohe Todesrate für ein Lager dieser Größenordnung.“

Das einstige Häftlingslager brannte die SS 1945 nieder, die Produktionsgebäude überstanden den Krieg – stehen aber seit 1994 leer. Eine Großdrechslerei hatte nach der Wende nur kurz ausgehalten. Mehrere andere Anläufe für eine neue Nutzung scheiterten. So hatte der heutige Besitzer Ludbert Graf zu Münster 2009 angekündigt, dort mehrere Millionen Euro zu investieren, um einen Recyclingbetrieb einzurichten. Der sollte aus Kunststoffen, zerkleinerte Reifen, Stroh und Baumschnitt ein Ölgemisch herstellen. Das scheiterte genauso wie das Vorhaben, eine Hackschnitzelanlage zur Stromerzeugung zu installieren. Problematisch waren dabei immer wieder die Lage im Überschwemmungsgebiet der Mulde und die schlechte Erreichbarkeit per Lkw – das Areal liegt neben dem bedeutenden Klosterpark und ist sowohl von dort als aus Richtung Rhäsa nur über eine schmale Straße zu erreichen.

Evakuierung per Hubschrauber?

Letzteres wäre aber kein Problem bei der Idee, die der Münchner Adlige mit sächsischen Wurzeln jetzt verfolgt: „Die Klostermühle ist gut für eine Unterbringung von Asylbewerbern geeignet“, sagt der über 80-Jährige. Die Fläche sei ausreichend groß, dass auch Kinder Platz zum Spielen finden würden. Es gäbe genug Gebäude. Einkaufsmöglichkeiten in Nossen seien zu Fuß zu erreichen. Bei entsprechenden Investitionen lasse sich eine ordentliche Wohnqualität schaffen. „Und sollte in der Bevölkerung jemand etwas gegen Flüchtlinge haben, ist an der Stelle genug Abstand, dass beide Seiten unbehelligt leben können“, sagt Graf zu Münster. Ein Nachbar, der seit 37 Jahren auf dem Areal lebt, verweist dagegen auf den schlechten Zustand der Gebäude, die Überschwemmungen 2002 und 2013 – und die Tatsache, dass er seinerzeit per Hubschrauber evakuiert werden musste, weil die Mulde so schnell gestiegen war. „Soll das mit 100 Asylbewerben auch so klappen?“, fragt der Nossener.

Der Eigentümer sieht das nicht so kritisch. Die Häuser seien so massiv und hoch genug gebaut, dass die Asylbewerber bei einem Hochwasser einfach zwei Tage drinnen aushalten könnten. „Die Gebäude stehen seit Jahrhunderten dort. Ich möchte sie einfach wieder einer sinnvollen Nutzung zuführen.“ In nichtöffentlicher Sitzung diskutierten Nossens Stadträte über das Projekt – ohne eine Entscheidung. „Wir müssen die Flüchtlinge irgendwo unterbringen – und viel Auswahl haben wir in Nossen nicht“, sagt ein Stadtrat. Bürgermeister Uwe Anke (parteilos) steht dem Vorhaben offen gegenüber. „Der Eigentümer soll uns ein Konzept vorlegen. Wir brauchen erst mal Fakten auf dem Tisch!“