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Klettern in der Kirche

In Pirna entsteht eine neue Kletterhalle. Dafür wurde jetzt ein Verein gegründet. Der Standort ist apart.

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© Dirk Zschiedrich

Von Mareike Huisinga

Pirna. Eine Kirche, in der geklettert und nicht gebetet wird? Das ist tatsächlich die künftige Nutzung der Hospitalkirche an der Siegfried-Rädel-Straße in Pirna. Das Gotteshaus wurde bereits 2002 entweiht.

Jetzt plant der Sächsische Bergsteigerbund (SBB) zusammen mit der SBB Ortsgruppe Pirna, in dem großen Gebäude ein modernes Kletterzentrum einzurichten. Eigens dafür wurde ein neuer Verein gegründet, der den Namen Bergsport Pirna e.V. trägt. Das teilt der Vorsitzende Christian Walter mit, der in Personalunion auch der Geschäftsführer des SBB mit Sitz in Dresden ist.

Bisher konnten sich die Sportler in der ehemaligen Gauß-Turnhalle auf dem Sonnenstein an Kletterwänden austoben. „Doch wir waren dort nur Untermieter und die Heizkosten zogen wegen unzureichender Dämmung immer mehr an“, sagt Walter. Deshalb wurden die Kletterwände bereits im Januar 2016 abgebaut.

Ein Zustand, der aber so nicht bleiben sollte. Gunter Thar von der SBB-Ortsgruppe Pirna fragte bei der Stadt an, um alternative Standorte für eine Kletterhalle auszuloten. Man wurde sich schnell einig: die leerstehende Hospitalkirche, die der Hospitalstiftung der Stadt Pirna gehört und künftig an den neuen Verein vermietet werden soll. Es folgten Besichtigungen und Machbarkeitsstudien. Alles positiv.

Jetzt warten die Mitglieder nur noch darauf, dass ihr Verein eingetragen wird, damit sie loslegen können. Zunächst muss die Finanzierung gesichert werden. Walter schätzt die Kosten auf circa 120 000 Euro. „Wir hoffen auf Fördermittel von der Stadt Pirna und vom Deutschen Alpenverein, unserem Dachverband“, sagt der Vorsitzende. Der SBB selber wird dem Verein Bergsport Pirna für das Projekt 50 000 Euro als Darlehen zur Verfügung stellen.

Bei den Umbauten gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder errichten die Fachleute zwei große Kletterwände, die sich in der Mitte unter der Decke des ehemaligen sakralen Gebäudes treffen. Variante zwei sieht hingegen vor, einen hohen Kletterturm in der Mitte des Gebäudes zu verankern. „Diese Lösung würde natürlich einen deutlich geringeren Eingriff in die Architektur der Kirche bedeuten“, berichtet Walter. Eine Entscheidung sei bisher nicht gefallen.

Läuft alles nach Plan, soll bereits ab Herbst 2018 in der Hospitalkirche gekraxelt und gebouldert werden. Hauptsächlich ist die Halle für den Vereinssport vorgesehen. „Wir wollen unseren Mitglieder ein größeres Angebot machen“, erläutert Walter. Aber Schulen und andere Vereine können sich auch anmelden.

Gepachtet für 99 Jahre

Zwar ist die ehemalige Kirche noch relativ jung, aber das Haus schaut auf eine interessante Vergangenheit zurück. 1914 bis 1916 wurde es als ein Teil des Gebäudekomplexes der Hospitalstiftung errichtet. 1957 übernahm die damalige Pirnaer Kirchgemeinde St. Marien das Gotteshaus in Erbpacht für 99 Jahre. „Die Kirche wurde als Winterkirche genutzt“, berichtet Thomas Albrecht, Kirchner der Kirchgemeinde Pirna, in der die Gemeinde St. Marien aufgegangen ist. Denn die Hospitalkirche war im Gegensatz zur Marienkirche damals schon an die Fernheizung angeschlossen.

Gleich nach Unterzeichnung des Vertrages wurde die Hospitalkirche erweitert. Unter anderem vergrößerten Fachleute die Orgelempore, sanierten die Toilettenanlagen und bauten eine Küche unter der Empore ein. Da es keine festen Kirchenbänke in dem Haus gab, sondern loses Gestühl, konnte die Gemeinde den Raum auch für Veranstaltungen nutzen. Die Kurrende und die Kantorei probten hier, ebenso fanden Kirchenbezirksversammlungen statt.

Im Laufe der Zeit bekam die Hospitalkirche allerdings Konkurrenz. 1988 wurde das Gemeindezentrum auf dem Sonnenstein errichtet, 2000 das Diakonie- und Kirchgemeindezentrum in Copitz. Schließlich brachte das Hochwasser von 2002 die endgültige Entscheidung, sich von der Hospitalkirche zu trennen. „Das Wasser stand damals 1,50 Meter hoch. Wir haben alles beräumt und konnten die Kirche der Stadt Pirna vor Ablauf des Erbpachtvertrages zurückgeben“, sagt Albrecht.

Heute finden in der Hospitalkirche in unregelmäßigen Abständen unter  anderem Ausstellungen und Chorkonzerte statt. Selbst die Linkspartei hatte keine atheistischen Berührungsängste und lud vor einigen Jahren in das ehemalige Gotteshaus zu einem Vortrag ein.