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Kletterlegende mit Kamera

Der Alpinist und Bergfilmer Lothar Brandler ist tot. Der gebürtige Dresdner erfand auch eine Urform des Klettergurts.

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© Archiv Lothar Brandler

Von Uli Auffermann

Im Elbsandstein war Lothar Brandler nie ins Seil gestürzt. Das war sein Glück. „Wir hatten ein 16-Millimeter-Hanfseil im Klub. Das stammte von 1920“, erzählte die Kletterlegende vor dem Dresdner Bergsichten-Filmfestival 2011. „Damit bin ich geklettert, bis ich in die Alpen gefahren bin. Dieses Seil riss mit lautem Knall beim Tauziehen auf dem Hof in Dresden. Wenn ich damit beim Klettern gestürzt wäre, hätte es nicht gehalten.“

Glück hatte der gebürtige Dresdner, dem mit 15 Jahren schon eine Erstbegehung im Elbsandstein gelungen war, auch später beim Steinschlag in den Alpen oder beim Sturz in eine Gletscherspalte im Himalaja. Aber er beließ es nicht bei schicksalhaften Zufällen, machte sich um die Entwicklung des Klettergurts verdient. Seine Urform basierte auf der Sitzschlinge, mit der er im Elbsandstein geklettert war. Firmen nahmen die Idee auf. Ein Patent besaß Brandler nicht darauf. Einen Rechtsstreit hätte er sich finanziell nie leisten können. „Ich bin froh“, sagte er im SZ-Interview, „dass heute der Klettergurt zur Standardausrüstung gehört.“

Wie erst jetzt bekannt wurde: Lothar Brandler lebt nicht mehr. Er starb bereits am 15. November im Alter von 80 Jahren. Als 17-Jähriger hatte er die DDR verlassen, lebte bis zu seinem Tod in München. Er holte das Abitur nach, wollte Musik studieren, Opernsänger werden. Zwei Jahre lernte der musisch Veranlagte am Richard-Strauss- Konservatorium und arbeitete daneben in einem Sportgeschäft in der Bergsportabteilung. Brandler fiel vor allem durch schnelle Begehungen von schwierigsten Kletterrouten im Wilden Kaiser und Wetterstein auf. 1958 erhielt er in Trento die Auszeichnung als erfolgreichster Alpinist des Jahres.

Ende der 1950er-Jahre nahm Brandler erstmals die Kamera mit in die Berge und begann mit ersten eigenen Filmarbeiten. Schon 1960 erhielt er für sein Werk „Direttissima“ den ersten Preis beim Bergfilmfestival in Trient. Und er leistete Pionierarbeit für den Bergfilm. Seine Erstbegehung an der Großen Zinne-Nordwand, die „Hasse-Brandler“, oder sein Film „Inferno am Montblanc“ sind Sternstunden des Alpinismus. Der Filmemacher war auf einen der ihm verliehenen 22 Preise besonders stolz: 1964 erhielt er den Deutschen Bundesfilmpreis, der damals erstmals für einen Berg- und Kletterfilm vergeben wurde.

Aber es bleibt mehr: Die Erinnerung an einen künstlerischen, empfindsamen Menschen – an einen Freigeist, einen Unabhängigen mit eigener Meinung. (mit SZ/may)