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Klempner wider Willen

Das Handwerk war nicht der Traumberuf von Rolf Protze. Dann machte er in Zeiten des Mangels sogar den Meister.

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© André Braun

Von Cathrin Reichelt

Döbeln. Dass er einmal einen goldenen Meisterbrief in den Händen halten würde, hätte Rolf Protze in jungen Jahren nicht gedacht. Meister wollte er eigentlich gar nicht werden. Nicht einmal der Klempner und Installateur war sein Traumberuf. „Ich wollte Tischler lernen. Aber dafür gab es keine Lehrstelle. Nur für Glaser. Das hat mir nicht zugesagt. Oder für den Former. Da wusste ich nicht einmal, was das ist. Also lernte ich Klempner und Installateur“, erzählt der heute 79-Jährige.

Von 1951 bis 1954 dauerte die Lehrzeit in Roßwein. 1955 begann Protze als Geselle bei Klempnermeister Alfred Henschel in Döbeln. „Das war eine schöne Zeit. Er war wie ein Vater zu uns. Ich habe gerne bei ihm gearbeitet“, erinnert sich Protze. Vier Jahre später wurden die Handwerksbetriebe in die PGH eingegliedert. Sehr begeistert seien die Gesellen damals nicht gewesen. Doch dann habe es andere Verdienst- und Arbeitsmöglichkeiten gegeben – vor allem im Wohnungsbau in Döbeln und Hartha.

Im Jahr 1964 übernahm Rolf Protze die Lehrausbildung in der PGH Klempner und Installation, der heutigen Firma Installationstechnik. Zwei Jahre später wurde die Lehrwerkstatt geschlossen. Weshalb, kann er heute nicht mehr sagen. Etwa zur selben Zeit wurden er und drei weitere Gesellen von den Vorgesetzten überzeugt, sich für den Meisterabschluss noch einmal auf die Schulbank zu setzen. Für die Ausbildung nach Leipzig zu kommen, sei recht umständlich gewesen.

Den Abschluss haben alle geschafft. „Im Januar 1966 sind wir als Handwerksmeister freigesprochen worden“, so Protze. Anders als in anderen Berufen musste er zwei praktische Meisterprüfungen absolvieren, eine als Klempner und eine als Installateur. Davon profitierte der Elmo-Kindergarten. In dem installierte er neue Sanitäranlagen. „1969/70 wurde ich als Bereichsmeister eingesetzt. Ich habe auch die Außenstelle in Hartha mit betreut. Später kam die in Leisnig dazu“, erzählt er. „Es war eine schwierige Zeit, was das Material und die Fahrzeuge betraf.“

Im Alter von 35 Jahren musste der junge Meister eine Pause einlegen. „Ich musste für ein halbes Jahr zur Reserve zur Armee, ob ich wollte oder nicht.“ Aber er hatte Glück. Er kam in die Kaserne nach Döbeln – drei Minuten von seiner Wohnung entfernt. „Wenn wir Politunterricht hatten, konnte ich sehen, wenn meine Frau daheim gefeuert hat“, sagt er schmunzelnd.

Überraschungen in Turmkugeln

Wieder zurück in seiner Firma, war er vor allem als Dachklempner tätig. Er arbeitete im Bau- und Montage-Kombinat (BMK) Süd und deckte 1976 den Turm der Nicolaikirche in Döbeln mit Kupferblech. Später stieg er auch auf den Turm der katholischen Kirche, aber in Feierabendarbeit. Vom Staat habe die Kirche keine Unterstützung bekommen. Das Material habe die Partnergemeinde aus dem Westen geschickt.

In der Turmkugel der Kirche fanden die Handwerker ein Einschussloch. „Da haben die Russen Zielschießen geübt“, meint Protze. In Erinnerung geblieben sind ihm auch die Turmkugeln von Leisnig, in der sich eine Münze vom Stadtbrand befand, und die Kugel von Zschoppach. In der prangte ein großes Loch. In der Nacht, bevor sie abgenommen werden sollte, hatte sie jemand geplündert. Am umfangreichsten sei die Sanierung des Turms der Hubertusburg in Wermsdorf gewesen.

„Zwei meiner Kollegen haben zehn Jahre daran gearbeitet.“ Für die Materialbeschaffung habe er auch schon mal geschwindelt, ohne rot zu werden. „Ich habe Baustellen erfunden, die es gar nicht gab, um für die echten genügend Material zu bekommen“, erzählt Rolf Protze.

Nach der Wende gab es zwar genügend Material, „aber wir hatten keine Erfahrung mit westdeutschen Bauleitern.“ Sie hätten die hiesigen Handwerker oft so hingestellt, als ob sie keine Ahnung hätten. „Aber wir haben uns durchgeboxt“, sagt Rolf Protze.

Bis heute kann er nicht von seinem Beruf lassen. In sein Haus kommt kaum ein Handwerker. „Ich habe mir viel von anderen Gewerken abgeschaut. Ich mache alles selbst“, sagt er.