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Ein Seriendieb vor Gericht

Kriminalität gehört im Oberland zum Alltag. Das zeigt der Fall eines Tschechen, der Dienstag in Bautzen verurteilt wurde. Wie zuvor bereits in Zittau, Görlitz und schon mal in der Spreestadt. Die nächste Anklage wartet wieder an der Mandau.

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© Jens Kaczmarek /lausitznews.de

Von Jana Ulbrich und Thomas Mielke

Region. Miloslav H. aus Schluckenau (Šluknov) ist ein notorischer Rückfalltäter. Schon seit mindestens 17 Jahren kommt er immer und immer wieder auf die deutsche Seite der Grenze – in unlauterer Absicht und unterbrochen nur von den Zeiten, in denen er gerade im Gefängnis sitzt. In Sohland, in Spitzkunnersdorf, in Oppach, in Taubenheim, in Schirgiswalde und anderen Oberland-Orten kennt er sich gut aus. Beinahe genauso gut wie in seinem Heimatort auf der tschechischen Seite der Grenze, wo er keine Wohnung, keine Arbeit und kein Geld hat, aber viele Schulden und ein paar falsche Freunde.

Mit zwei von ihnen erwischen ihn Polizisten kurz vor Weihnachten in Schirgiswalde. Auf dem Kleintransporter ein Moped, ein Satz Autoräder und ein Winkelschleifer, alles aus einem Schuppen in der Nähe. Drei Wochen lang, so wird sich später herausstellen, ist Miloslaw H. da schon wieder auf Beutezug, mal mit den beiden Komplizen, mal ohne sie. Er bricht in Autos ein, stiehlt eine Geldbörse, ein Navigationsgerät, ein I-Pad und hochwertige Messtechnik, aus Garagen stiehlt er Autoräder und Werkzeuge, aus einer Fleischerei 120 Kilo Schweinelende, 40 Kilo Lachsschinken und noch ein paar andere Kühlkisten mit diversen Fleischwaren.

Am Dienstag hat Miloslaw H. wieder im Gerichtssaal des Bautzener Amtsgerichts gesessen. Hier hat er vor vier Jahren schon einmal eine Gefängnisstrafe von einem Jahr ohne Bewährung kassiert. Er ist auch schon vom Landgericht in Görlitz und vom Amtsgericht in Zittau zu Haftstrafen verurteilt worden. An der Mandau verdonnerte in Richter Holger Maaß 2015 zu einem Jahr Gefängnis, weil er im Oktober 2013 in Sohland in drei Autos eingebrochen war beziehungsweise es versucht hat. Drei Monate später wurde er nach Angaben des Zittauer Richters auf frischer Tat in Oppach erwischt, wo er die Tür eines Gartenhauses aufgebrochen hatte und sich Werkzeug im Wert von rund 200 Euro zum Abtransport hingelegt hatte.

Grenzkriminalität sinkt

Die Zahl der Straftaten in den Orten entlang der tschechischen Grenze ist in den Kreisen Bautzen und Görlitz in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gesunken. Zählte die Polizei zwischen Steinigtwolmsdorf und dem Dreiländereck im Jahr 2007 noch knapp 4000Straftaten, waren es 2016 noch reichlich halb so viele.

Im vergangenen Jahr wurden in den Grenzorten zu Tschechien unter anderem 44 Autos gestohlen, 97Fahrzeuge aufgebrochen, 124 Fahrräder gestohlen und 82 Diebstähle aus Kellern begangen.

An der polnischen Grenze sinkt die Zahl der Straftaten ebenfalls, liegt aber um mehr als ein Fünffaches höher als an der tschechischen.

Quelle: Polizeidirektion Görlitz

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Aber kaum ist er wieder aus dem deutschen Gefängnis raus, nutzt er den kleinen Grenzverkehr gleich wieder auf seine Weise. Für ihn, so erklärt er dem Bautzener Richter auch dieses Mal, sei das die einzige Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es sei ja immer wieder dasselbe: keine Wohnung, keine Arbeit, kein Geld. Als Vorbestrafter bekomme er ja auch nirgends Arbeit. „Was soll ich denn da machen?“, fragt er den Richter mithilfe der Dolmetscherin. „Wohin soll ich denn gehen, wenn ich aus dem Gefängnis komme? Sagen Sie es mir!“

Der Fall des 58-Jährigen ist ein einziges Dilemma. Aber auch eines, das sehr typisch ist für all das, was die Polizei unter dem Stichwort Grenzkriminalität registriert. Einbrüche, Diebstähle und Autoaufbrüche, bei denen alles mitgenommen wird, was sich auf der anderen Seite der Grenze irgendwie zu Geld machen lässt. Auch 120 Kilogramm Schweinelende lassen sich in Šluknov gut verkaufen. Es ist weniger die große organisierte Kriminalität, die im kleinen, unredlichen Grenzverkehr eine Rolle spielt, sondern vor allem das noch immer vorherrschende Wohlstandsgefälle in der Grenzregion, sagt Polizeisprecher Thomas Knaup.

Der Fall des 58-Jährigen zeigt aber auch, dass es mit der Fahndung immer besser klappt. Denn immer schon nach kurzer Zeit können Polizeibeamte den notorischen Rückfalltäter wieder dingfest machen. Das gelingt auch dank einer immer engeren und professionelleren Zusammenarbeit mit den tschechischen Kollegen, sagt Knaup. So hat sich die Zahl der Straftaten entlang der tschechischen Grenze in den letzten zehn Jahren fast halbiert.

Auch vor Miloslav H. werden die Grenzanwohner aus dem Oberland wieder eine Weile Ruhe haben. Das Bautzener Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsrichter Dirk Hertle hat den Tschechen diesmal zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Dabei ist berücksichtigt, dass er gleich nach seiner Festnahme alle Taten anstandslos gestanden hat, dass er weder gewalttätig noch bösartig ist. Und es scheint, als wäre Miloslav H. dem Richter am Ende für das Urteil sogar dankbar.

Wie schnell er den nächsten deutschen Richter zu sehen bekommt, ist noch nicht klar. Sowohl im Bautzener als auch im Zittauer Gericht liegen die nächsten Anklagen gegen ihn zur Entscheidung bereit. Im Dreiländereck geht es um die Klauerei aus einem Renault in Spitzkunnersdorf am 23. August 2016. Voraussichtlich wird er sich dafür wegen der am Dienstag in Bautzen verhängten langen Haftstrafe nicht extra verantworten müssen.