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Kleiner Fels, großer Konflikt

In Bad Schandau findet ein Bouldercup am Kunstfels statt. In der freien Natur jedoch haben es die Sportkletterer schwer.

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Von Mike Jäger und Gunnar Klehm

Die Kunstkletterwand am Elbufer in Bad Schandau steht und wartet darauf, erobert zu werden. Mit geradezu artistischen Bewegungen werden Sportkletterer am Sonnabend an den angeschraubten farbigen Griffen emporklimmen, um nach erfolgreichem Aufstieg oder nach dem Scheitern auf eine dicke Matte zu fallen, die die Sache ungefährlich macht. Kraft, Bewegungstalent und Geschicklichkeit sind der Schlüssel zum Erfolg beim traditionellen Boulder-Cup. Der Begriff Bouldern kommt vom englischen Wort boulder für Block.

Beim Bouldern wird ohne Seil in Absprunghöhe geklettert. Gundula Strohbach, Chefin der Bad Schandauer Kur- und Tourismus GmbH, ist diejenige, die das Event mit vielen Mitstreitern organisiert, sie sagt: „Es geht nicht darum, einen Gipfel zu erklettern, sondern darum, sehr schwierige Passagen zu meistern.“

Das ist keine Erfindung der Neuzeit. Schon zu den Anfängen des Bergsteigens sind niedrige Wände und Felsblöcke zum Üben beklettert worden. In der Sächsischen Schweiz klettert man seit über 100 Jahren Quergänge am Fels kurz überm Boden oder umrundet Felsblöcke und zählt, wer die meisten Runden schafft.

Ein Altmeister des Kletterns, Bernd Arnold, trainierte so in der Nähe seiner Heimatstadt Hohnstein komplizierte Kletterzüge. „Technik übte ich über Jahre hinweg bei meinen täglichen Runden am Begangsteig, wo es einige entsprechende Stellen gibt.“ Die so eingeschliffenen Bewegungsabfolgen konnte er dann bei schwierigen Erstbegehungen abrufen und umsetzen.

An manch anderem Felsen in der Sächsischen Schweiz sieht man heute noch verblasste kleine rote Pfeile, mit denen Anfang der 1980er-Jahre Thomas Rudolph seine kurzen, extremen Kletterprobleme kennzeichnete. Da hatte sich diese Spielform des Bergsteigens nicht nur als Trainingsform für „Höheres“, sondern schon als Selbstzweck etabliert.

Elbsandstein ideal zum Bouldern

Das Bouldern erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Blockgebiete werden überall auf der Welt neu entdeckt und erschlossen. In Städten entstehen neben Kletterhallen auch immer mehr Boulderhallen. Die Übungsmöglichkeit hat sich zu einer weltweiten Trendsportart entwickelt, die besonders junge Leute begeistert.

Das Elbsandsteingebirge scheint hervorragend geeignet zu sein für diese Sportart. Unterhalb der hohen imposanten Felstürme sind im Wald oft viele kleinere Blöcke verstreut. Ideal zum Bouldern. Doch die strengen Sächsischen Kletterregeln verbieten das. Im Nationalpark Sächsische Schweiz sowie in Landschafts- und Naturschutzgebieten ist das Klettern nur an den von der Nationalparkverwaltung beziehungsweise den zuständigen Naturschutzbehörden bestätigten Kletterfelsen gestattet. Das sind in der Sächsischen Schweiz nur die im Kletterführer beschriebenen Gipfel. Dieser Status, der im Sächsischen Naturschutzgesetz verankert ist, erlaubt zwar einerseits das Klettern, schränkt es andererseits aber auch ein, besonders für die Boulder-Freunde.

Im Klettergebiet Bahratal, zwischen dem Kurort Berggießhübel und Langenhennersdorf gelegen, gibt es seit einigen Jahren bekletterte Blöcke. Bahratal ist das bekannteste Boulder-Gebiet Sachsens, international renommierte Klettergrößen statteten dem Blockgebiet schon einen Besuch ab. Mittlerweile existiert sogar ein Kletterführer über die Boulder-Möglichkeiten dort. Im Internet findet man Tipps, Videos und Beschreibungen. Bei Google bekommt man über 6 500 Treffer zur Eingabe: Bouldern Sächsische Schweiz.

Im Vorwort des Boulder-Führers zum Gebiet Bahratal heißt es zwar: „Wir hoffen, dass jeder Einzelne die Gaben der Natur in diesem kleinen Tal zu schätzen weiß und denken, dass der Boulder-Sport auch ohne mehrseitiges Verhaltens- und Regelwerk im Einklang mit der Natur sowie allen anderen sportlichen Aktivitäten existieren kann.“ Leider aber sieht die Realität dort anders aus. Die Felsen „zieren“ große weiße Flecke, als hätte eine Vogelkolonie dort ihren Kot hinterlassen.

Boulderer verwenden dieses weiße Pulver, bei den Kletterern auch als Chalk bekannt, das die Haftung der Hände am Fels erhöht. Dessen Gebrauch ist im Elbsandstein aber verboten. „Der natürliche Fels leidet, weil ein Fremdstoff aufgetragen wird“, heißt es von der Nationalparkverwaltung. Verstöße werden konsequent als Ordnungswidrigkeit geahndet. Erwischt wird aber kaum jemand. Weil regelwidrig, wird es meist im Verborgenen ausgeübt, auch wenn die Publikationen im Kletterführer und im Internet auf anderes schließen lassen.

Das Bouldern hat sich auch im Sächsischen Bergsteigerbund (SBB) stetig entwickelt. Konflikte mit dem Naturschutz sieht der Verein aber nicht. In den letzten zwei Jahren gab es an den SBB keine Meldung zu Mitgliedern, die illegal Magnesia eingesetzt hätten, teilt Pressesprecherin Constance Jacob mit. Der SBB sieht auch keine Tendenz, Magnesia im Elbsandstein zuzulassen.

Höhepunkte des Boulder-Cups am Wochenende sind die Finals am Sonnabend ab 17 Uhr. „Es sind viele Spitzensportler am Start“, sagt Gundula Strohbach, die selbst begeisterte Boulderin ist. Dabei sind unter anderem die deutschen Spitzenkletterer André Borovka und Luisa Neumärker oder auch Nelly Kudrova und Jan Jelika aus Tschechien.

Mehr zum Thema: www.elbsandsteincup.eu

www.gulag-online.de