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Kleine Käfer statt großer Kunst

Holzwürmer haben die Kita in See befallen. Kammerjäger rücken diesen nun zu Leibe. Dazu wurde das Haus verpackt.

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© André Schulze

Von Alexander Buchmann

See. Mit weißer Folie eingehüllt sieht die Kita Sonnenland in See seit Sonnabend aus wie ein Werk des berühmten Künstlers Christo, der durch die Verhüllung des Reichstages 1995 deutschlandweit Bekanntheit erlange. Statt großer Kunst geht es in See bei der Verhüllung des Gebäudes aber um viele kleine Käfer. Und zwar um Vertreter des sogenannten Hausbocks, auch Balkenbock oder Großer Holzwurm genannt. Genau diese fressen sich nämlich durch den Dachstuhl des Gebäudes.

Mit einer Hebebühne haben Experten das Kita-Gebäude komplett verhüllt. Es ist ein skurriles Schauspiel.
Mit einer Hebebühne haben Experten das Kita-Gebäude komplett verhüllt. Es ist ein skurriles Schauspiel. © André Schulze
Die Dachbalken zeigen die Spuren der Holzwürmer. Ein Käfer verputzt eine Kaffeetasse Holz pro Jahr.
Die Dachbalken zeigen die Spuren der Holzwürmer. Ein Käfer verputzt eine Kaffeetasse Holz pro Jahr. © André Schulze
Marco Müller ist Chef der Firma Groli. Durch ein Guckloch kann er weiter ins Gebäude schauen.
Marco Müller ist Chef der Firma Groli. Durch ein Guckloch kann er weiter ins Gebäude schauen. © André Schulze

Doch damit soll nun Schluss sein. Um die acht bis 26 Millimeter großen Krabbler loszuwerden, kommt dabei ein spezielles Gas zu Einsatz. Dafür müssen die Kinder für zwei Wochen umziehen.

Sulfuryldifluorid heißt das Gas, dass den Käfern in der Kita seit Sonnabend den Garaus machen soll. Das tötet die Eier, Larven und geschlüpften Insekten und sei die zerstörungsfreieste Methode, erklärt Marco Müller, Geschäftsführer der Groli Schädlingsbekämpfung GmbH Dresden. Die Firma ist von der Stadt Niesky mit der Beseitigung des Käferbefalls beauftragt worden. Die Materialien und Einrichtungsgegenstände in der Kita werden von dem Gas nämlich nicht angegriffen, sodass lediglich die Lebensmittel ausgeräumt werden mussten. Nachdem das Gebäude gelüftet worden ist, bleiben im Inneren auch keine Rückstände zurück.

Das wird voraussichtlich Mitte bis Ende nächster Woche passieren. Bis Donnerstag bleibe das Gas drin und dann werde eine Woche lang gelüftet. Wie lange das genau dauern wird, ist auch wetterabhängig. Bei drückender Hitze bleibt das Gas nämlich auch bei geöffneten Fenstern und Türen im Gebäude. Bevor die ersten Erzieher und Kinder die Kita betreten, werden die Mitarbeiter der Schädlingsbekämpfungsfirma mit Messgeräten die Luft im Inneren kontrollieren. Die Freigabe erfolge erst ab einem Grenzwert, der weit unter den Werten liegt, die beispielsweise in Kinderzahnpasta auftreten, sagt Marco Müller. Sobald das Gas mit Sauerstoff in Berührung kommt, zersetzt es sich und wird damit ungefährlich. Für die Nachbarn besteht somit keinerlei Gefahr, wenn die Kita gelüftet wird und das Gas austritt.

Bis es so weit ist, darf das Gebäude allerdings niemand betreten. Um das sicherzustellen, hat sich Marco Müller unter anderem alle Schlüssel geben lassen und durch Absperrungen weitere Vorkehrungen getroffen. Denn bei dem Gas handelt es sich um ein geruchs- und farbloses Zellgift. Man bekommt also gar nicht mit, wenn man es einatmet. Damit nichts entweichen kann, wurde das gesamte Haus zwei Tage lang mit 2 650 Quadratmetern Folie verpackt. Hinzu kommen noch mehrere Kilometer Klebeband. Lediglich an einer Scheibe wurde ein kleines Sichtfenster gelassen, durch das ein Blick auf die Technik geworfen werden kann.

Im Inneren stehen neben mehreren Lüftern nämlich auch mehrere Messstationen, mit denen die Konzentration gemessen wird. Die entsprechenden Daten werden außen von einem Mitarbeiter, der mehrere Stunden pro Tag vor Ort ist, ständig kontrolliert. So könnte festgestellt werden, wenn in einem Raum etwas nicht stimmen sollte oder irgendwo eine undichte Stelle wäre. Aber auch so ändern sich je nach Wetterlage und Temperatur die Konzentrationen innerhalb des Gebäudes. Weil sich im Keller der Kita die Heizungsanlage für ein benachbartes Wohnhaus befindet, sind dort ebenfalls Messstationen eingerichtet worden, wie Marco Müller erklärt.

Während die Schädlingsbekämpfer in der Kita arbeiten, werden die Kinder in der Einrichtung in Kosel betreut. Diese hat aktuell nämlich geschlossen und bietet sich daher als Ausweichstandort an. Für die Nieskyer Stadtverwaltung war das planerisch trotzdem eine Herausforderung. „Wir haben extra den Zeitpunkt gewählt, wo die wenigsten Kinder da sind“, erklärt Steffi Mütze, Leiterin der städtischen Gebäude- und Liegenschaftsverwaltung. Denn eine Schließzeit der Kita gibt es anders als in Kosel und anderen Einrichtungen normalerweise nicht.

Marco Müller findet für die Stadt und die Kita-Mitarbeiter nur lobende Worte. So haben letztere alle Schränke, Spiele und Schachteln aufgemacht, damit das Gas überall rein – und viel wichtiger – danach auch wieder raus kann. „Das ist eine riesige Arbeit“, sagt er.

Außerdem habe auch die Stadt richtig und schnell reagiert und nach der Feststellung des Befalls Fachfirmen erst mit einer Begutachtung und dann Bekämpfung betraut. Bevor man etwas sehe, fressen sich die Holzwürmer aber bereits fünf bis acht Jahre durch das Holz. Ein Exemplar vertilgt dabei etwa eine Kaffeetasse Holz pro Jahr. Ein Käfer legt zudem 200 bis 400 Eier, sodass der Befall exponentiell ansteigt. Die Begutachtung als erster Schritt sei notwendig, da man nur einen aktiven Befall bekämpfen könne.

Das Hauptgutachten habe schließlich 2016 vorgelegen. Dann habe sich die Stadt zur Bekämpfung entschieden. Die kostet übrigens 22 000 Euro.