Von Jan Lange
Der kleine Sebastian kann bereits Tschechisch sprechen, denn seine Mutter stammt aus dem Nachbarland, wohnt aber mit der Familie jetzt in Deutschland. Und so wächst der Vierjährige zweisprachig auf. Finja und Selma, beide fünf Jahre alt, müssen die tschechische Sprache erst noch lernen. Dazu bietet ihnen die „Erfinderkiste“ in Oderwitz ab sofort die Möglichkeit. Anfang April ist das neue Projekt „Ein Dach für unsere Kulturen“ gestartet, bei dem deutsche und tschechische Kinder gemeinsam die Sprache des jeweils anderen erlernen. Beteiligt sind die Kita Waldhäusl aus Eichgraben und die Partner jenseits der Grenze aus Prachen. Die Kinder aus den beiden Einrichtungen sollen neben dem Erwerb der fremden Sprache auch die Kulturen und Bräuche der Nachbarn kennenlernen. Das geschieht vor allem spielerisch. Dreimal im Monat wird es gegenseitige Treffen geben, erklärt Gisela Glathe, Leiterin der Kita Waldhäusl. Einmal auf deutscher Seite, einmal auf tschechischer Seite und das dritte Mal kommen die Pädagogen zusammen, um sich auszutauschen.
Die EU unterstützt das Ganze mit rund 200 000 Euro. Frau Glathe ist ein bisschen stolz, dass ihre Einrichtung als einzige Kita im sächsisch-tschechischen Förderprogramm ausgewählt wurde. Dem vorausgegangen sei nach ihren Worten eine sehr akribische Prüfung der Inhalte.
Die Treffen auf deutscher Seite finden dabei in der „Erfinderkiste“ in Oderwitz statt. Da aber die dort bisher vorhandenen Räume schon gut belegt sind, werden im Rahmen des dreijährigen Projektes neue Begegnungsorte entstehen. Geplant sind ein Sprach- sowie ein Kochkabinett. Beides wird schrittweise im Erdgeschoss der ehemaligen Textilfabrik, in dem sich schon die „Erfinderkiste“ befindet, eingerichtet. Den Anfang macht das Sprachkabinett, dessen Eröffnung Ende Juni 2017 anvisiert ist. Entstehen werden, so kündigt Frau Glathe an, mehrere Arbeitsplätze für Kinder mit Laptop, Kopfhörern und Diktiergeräten. Mit Hilfe einer selbst entwickelten Sprach-Lern-DVD sollen die Kleinen ihr Sprachwissen erweitern. Das Sprachkabinett kann auch von anderen Kitas, Schulen und Vereinen genutzt werden, sagt die Waldhäusl-Chefin. Sie selbst bezeichnet diesen Schritt als ersten Meilenstein. Und bei diesem Meilenstein entsteht auf tschechischer Seite auch ein „Grünes Klassenzimmer“. Dort wird es dann auch ein Kräuterbeet geben. Die Kleinen sollen beim Anpflanzen der Kräuter die entsprechenden tschechischen Bezeichnungen erlernen und später die Kräuter im Kochkabinett verarbeiten. Der Ausbau des Kochkabinetts ist der zweite Meilenstein des grenzüberschreitenden Projektes. Gisela Glathe rechnet mit dessen Eröffnung im Juni 2018. Das gemeinsame Zubereiten typischer Speisen beider Länder trägt ebenfalls zur Erweiterung der Sprachkenntnisse bei. Gleichzeitig soll der Nachwuchs für eine gesunde Ernährung sensibilisiert werden. Einen Teil der Bauarbeiten wollen die Mitarbeiter der „Erfinderkiste“ mit den Eltern in Eigenregie erledigen. Der Umbau des Erdgeschosses zu einem Sprach- und Kochkabinett ist laut Frau Glathe die erste Erweiterung der „Erfinderkiste“ seit ihrer Gründung vor elf Jahren.
Auch das Kochkabinett steht nach seiner Fertigstellung anderen Einrichtungen offen, sagt Frau Glathe. Schon jetzt locke die „Erfinderkiste“ nach ihren Worten nicht nur Kinder aus der näheren Umgebung an. Bis aus Niesky oder Bautzen kommen Kitas und Schulen nach Oderwitz, um die Angebote zu nutzen. Die Kinder aus dem Waldhäusl und aus Prachen sind schon früher regelmäßig in die „Erfinderkiste“ gekommen. Immerhin bestehen die Kontakte zwischen beiden Einrichtungen seit 2002. Im Zuge des Projektes „Ein Dach für unsere Kulturen“ soll es nicht nur mehr Treffen geben, sondern auch die Erzieher geschult werden. „Zwei deutsche Pädagogen absolvieren einen Tschechisch-Kurs“, erklärt Frau Glathe. Darüber hinaus wird eine tschechische Erzieherin auf deutscher Seite tätig sein.