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Klein-Amerika in Radebeul

Kein Unternehmen in der Stadt ist so international besetzt wie die Onlinedruckerei Unitedprint. Das bringt Erfolg im zweitgrößten Betrieb der Stadt.

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© Arvid Müller

Von Peter Redlich

Radebeul. Wer schon mal was von Apple oder Microsoft und dessen Personalbesetzung gehört hat, der fühlt sich in einem Radebeuler Unternehmen beinahe dahinversetzt. Unitedprint ist eine Onlinedruckerei im Gewerbegebiet Naundorf. Etwa 620 Mitarbeiter – die Finnin neben dem Ungarn. Der Pole neben der Kroatin. Unter den 30 Lehrlingen sind auch Flüchtlinge als Azubi und als Praktikant angestellt. Von der Unternehmensleitung werden Deutschkurse organisiert. Jeder fünfte Mitarbeiter kommt aus einem anderen Land. Es gibt Pausenräume mit Kuschelkissen, WLAN und Riesenbildschirm, einen Fitnessraum, auch einen Ruheraum mit Hängematten, und eine Physiotherapeutin ist angestellt. „Hier gehen unsere Mitarbeiter kostenlos zur Massage“, sagt Ali Jason Bazooband.

Der Ruheraum mit Hängematten gehört auch zur Firma.
Der Ruheraum mit Hängematten gehört auch zur Firma. © Arvid Müller

Der Mann mit den tiefdunklen, kurz geschnittenen Locken hat persischen Hintergrund, ist Deutscher und spricht die Sprache ohne jeden Akzent. Und er ist einer der drei Vorstände bei Unitedprint.

Der Eigentümer heißt Wolfgang Lerchl, ist Bayer und vor einigen Jahren bei der Wirtschaftsjustiz angeeckt, weil er Fördermittel kassierte, die ihm nicht zustanden. Dafür wurde er verurteilt, hat das Geld zurückgezahlt und eine Strafzahlung obendrauf erledigt. Das war machbar, weil es seiner Firma gut geht. 70 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2016. Erklärtes Wachstumsziel 2017: 25 Prozent mehr. Vor wenigen Tagen verkündete Unitedprint, dass sämtliche Unternehmensfinanzierungen getilgt sind und die Firma ab 2017 zu 100 Prozent eigenfinanziert ist. Was am Markt ganz und gar nicht normal ist.

Online-Druckerei ist etwas, bei dem jeder aus jedem Winkel der Welt eine Bestellung aufgeben kann und wenn er das will, das Bestellte am nächsten Tag – zumindest in Europa – vom Boten gebracht bekommt. Eine bedruckte Plane für den Bauzaun in Tischtuchgröße ist am nächsten Tag in Italien und kostet 87 Euro, rund 30 Euro weniger, wenn vier Tage Zeit sind.

Etwa 5 000 Pakete verlassen jeden Tag das Radebeuler Unitedprint-Werk. Aufträge, die rangeholt sein wollen. „Wir brauchen dafür Mitarbeiter als Kundenberater mit in mindestens allen gängigen Sprachen Europas“, sagt Marketingvorstand Bazooband. Um den Kundenanspruch bedienen zu können und gegenüber der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus zu sein, muss im Radebeuler Betrieb in drei Schichten gedruckt, gefalzt, verpackt werden.

Auf Schichtarbeit hat nicht jeder mehr Lust. Es gibt derzeit 25 offene Stellen. „Wir stellen gerne auch Seiteneinsteiger ein und arbeiten sie als Mitarbeiter ein“, sagt Holm Winkler, ebenfalls Vorstand und zuständig für Personal, Recht und Finanzen. Die Bezahlung im Onlinedruck hängt bei Unitedprint wesentlich von der Arbeitsleistung ab. Etwa ein Drittel des Lohns wird vom Ergebnis beeinflusst. Polnische Arbeiter sind bei Schichtarbeit offenbar noch nicht so wählerisch wie deutsche.

Und die Firmenchefs kümmern sich über die Arbeit hinaus. Letztes Jahr wurde die gesamte Beratungsabteilung von London nach Radebeul umgesiedelt, kaum deutsche Mitarbeiter. Da wurden Wohnungen besorgt, die Sozialversicherung organisiert. 15 Kindergartenplätze hat das Unternehmen im Firmenkindergarten Glücksbärchen, der gemeinsam mit KBA betrieben wird und der, wegen der Schichtarbeit, auch arbeitnehmerfreundliche Öffnungszeiten hat. Für Unitedprint-Mitarbeiter wird der Kita-Beitrag von der Firma bezahlt. „Nicht für die Kinder vom Vorstand. Wir treffen eine Sozialauswahl, falls es mehr als 15 sind“, sagt Holm Winkler.

Die Druckmaschinenreihen unter dem Hallendach an der Naundorfer Friedrich-List-Straße stammen für den Offsetdruck vom Nachbarn KBA Planeta. Für den Digitaldruck vorwiegend von HP Indigo. Millioneninvestitionen, die Wolfgang Lerchl hier getätigt hat. Der Bayer hat in den 1990er-Jahren mit einer kleinen Druckerei in Meißen begonnen, ist dann nach 2000 nach Radebeul umgesiedelt und hat das Unternehmen mit heute insgesamt 700 Mitarbeitern und Vertriebsfilialen an 25 weiteren Standorten aufgebaut.

Seit zwei Jahren hat sich der Besitzer in den Aufsichtsrat zurückgezogen und lässt seine jungen Geschäftsführer agieren. Lerchl ist viel in den USA. Wahrscheinlich hat er sich dort die Ideen mit Fitnessraum, Massage, freie Kita und Hängematte im Ruheraum abgeschaut. Bei den Mitarbeitern kommt das jedenfalls gut an – auch wenn der Job ganz und gar nichts mit Hängematte zu tun hat.

print24.com