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Kleckern erlaubt

Eltern kleiner Kinder wollen oft nur eins: in Ruhe einen Kaffee trinken. Doch Kindercafés haben es schwer in Dresden.

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© Sven Ellger

Von Sophie Arlet

Gerade ist die Bestellung aufgegeben, da beginnt der Nachwuchs bereits, im Kinderstuhl hin und her zu rutschen. Sobald der ersehnte Latte Macchiato serviert wird, will das Kind auf den Boden, stößt sich an der Tischkante, fängt an zu brüllen. Von den Nachbartischen kommen genervte Blicke und der mütterliche Adrenalinspiegel steigt ganz ohne Koffein.

Ein entspannter Café- oder Restaurantbesuch mit Kleinkind kann unter Umständen zur Herausforderung werden. Trotzdem wollen viele Eltern nicht darauf verzichten und sich gerade in der Elternzeit einmal mit Freunden zum Plausch verabreden oder, statt aufwendig zu kochen, lieber essen gehen. So ging es auch Diana Helbig, als ihr zweites Kind geboren war. Kurz entschlossen hat die Striesenerin ihr Bedürfnis zur Geschäftsidee gemacht und das Mutzelhaus im Hinterhaus der Louisenstraße 54 eröffnet. Jetzt konnte sie mit ihrem familienfreundlichen Café bereits vierjähriges Jubiläum feiern. Dort ist alles auf die Bedürfnisse von Eltern und Kleinkindern abgestimmt. Es gibt genügend Spielzeug, keine gefährlichen Ecken oder Kanten, für die Kinder wird Brei gekocht, und die Getränke kommen in Plastikbechern. Weil die Kleinen krabbeln dürfen, müssen die Erwachsenen ihre Straßenschuhe ausziehen. Da Helbig auch das Burgerrestaurant „Burgermeister“ betreibt, können Familien im Mutzelhaus jetzt auch herzhaft essen. Mittlerweile läuft es so gut, dass man bei Regenwetter einen Tisch reservieren muss. „Das war aber nicht immer so“, sagt Helbig. Anfangs hatte die Unternehmerin auch mit „Latte-Macchiato-Müttern“ zu tun, wie sie sie nennt. Die haben stundenlang an einem Kaffee gesessen. „Aber davon können wir nicht leben“, so Helbig.

Jetzt weist sie ihre Gäste darauf hin, auch mitgebrachtes Essen wird kaum noch ausgepackt. Für Kinder ab zehn Monaten wird ein Euro berechnet. Damit soll der erhöhte Reinigungsaufwand im Lokal ausgeglichen werden. „Gerade in der Erkältungszeit wird hier alles regelmäßig desinfiziert“, sagt Helbig. Ihre Kundinnen wissen den Einsatz zu schätzen. „Hier können sich die Muttis auch mal unterhalten, in anderen Cafés ist es zu stressig“, sagt Johanna Olescu. Sie ist mit ihrer einjährigen Tochter aus Radeberg ins Mutzelhaus gekommen, um sich mit einer Freundin zu treffen. Alternativen gibt es in Dresden derzeit kaum. Im Herbst 2012 hatte an der Ecke Schönfelder/Talstraße das Kindercafé Käthe eröffnet, musste aber bereits ein knappes Jahr später wieder schließen. Seit Ende 2016 ist auch die Kleckerbar an der Wittenberger Straße in Striesen zu. Das Kindercafé hatte 2012 eröffnet. 2015 war dann Kristina Kunz mit ihrem Trageladen Karibu eingezogen und hatte auch den gastronomischen Bereich übernommen. Doch das hat nicht funktioniert. „Gerade in der Elternzeit haben die meisten wenig Geld“, so Kunz. Ein Problem ist auch, dass ein gut eingerichtetes Kindercafé mitunter sicherer ist, als die eigene Wohnung. Das ist entspannend für die Eltern und verleitet zum Bleiben. Auch Kunz hat Kunden erlebt, die lange Zeit in der Kleckerbar gesessen, aber kaum etwas verzehrt haben. So entschloss sie sich schließlich, das Café aufzugeben und nur den Trageladen weiterzubetreiben. Der ist jetzt an der Tolkewitzer Straße.

Eine Alternative hatten Striesener Eltern bis vor Kurzem im Eiscafé Worms auf der Wormser Straße. Doch auch das hat seit August geschlossen, allerdings aus privaten Gründen – die Inhaberin ist schwanger. In Plauen gibt es den Laden „Babys und Café“. Simone Holzer und Dagny von Hoyningen-Huene verkaufen an der Ecke Kaitzer/Nöthnitzer Straße seit zehn Jahren Kinderkleidung. Nach dem Shoppen können sich die Eltern Kaffee und Kuchen gönnen. Für Kinder gibt es eine Spielecke. Allerdings müssen Eltern ihre Kinder im Auge behalten und aufpassen, dass die kleinen Entdecker nicht im Laden stöbern. Die Bereiche sind nicht voneinander getrennt. Trotzdem sind die zehn Plätze oft besetzt.

„Kinder und Eltern sind für Gastronomen eine interessante Zielgruppe“, sagt Axel Klein vom Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Dresden. Allerdings spiele neben einem guten Konzept auch das unternehmerische Geschick eine Rolle, wenn es darum geht, dauerhaft zu bestehen. Zudem müssten Gastronomen abwägen, wer die Hauptzielgruppe ist. Wer in seinem Restaurant oder Hotel Ruhe, Entspannung und Wellness anpreist, wird sich nicht extra um kleine Kinder bemühen. Die wiederum betrachten einen Cafébesuch unter durchaus anderen Gesichtspunkten als die Eltern. Wenn es gar zu wild zugeht, müssen die Erwachsenen entscheiden, wann die Schmerzgrenze erreicht ist. „Letztendlich sollen sich alle wohlfühlen“, so Klein.