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Kittlitzer wehren sich

Beim Park- und Schlossfest wurden Unterschriften gegen die Schließung der Bankfiliale gesammelt – und Ballons gestartet.

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© C. Junghanß

Von Constanze Junghanß

Ein junger Mann hat am Sonnabend die Sparkasse in Kittlitz gesucht. Er kommt von weiter her, wie das Kennzeichen am Fahrzeug verrät. Googlemaps zeigt den Sparkassenstandort auf seinem Handy an. Doch eine solche Filiale gibt es in Kittlitz gar nicht. Lange herumfragen brauchte er nicht. In Kittlitz herrschte am Wochenende Hochbetrieb zum Park- und Schlossfest. Ein Einheimischer gab Auskunft, erklärte, wie man nach Löbau kommt. Und sagte, dass es zwar eine Volksbank-Geschäftsstelle im Ort gibt. „Aber wahrscheinlich nicht mehr lange“, wie er verärgert und kopfschüttelnd hinzufügte.

Der Mann verschwand Richtung Festplatz. Dort zwischen den Bäumen schallte Musik und schon von Weitem war das Kinderlachen der Knirpse auf dem Karussell zu hören. Ihr Schloss- und Parkfest feierten die Einheimischen zusammen mit dem Kinderhaus „Dreikäsehoch“. Eine jahrelange Tradition ist das, organisiert von allen Vereinen gemeinsam. Während die Jüngsten sorglos spielten, sich im Bungee ausprobierten oder Naschereien ergatterten, standen so manchem erwachsenen Gast die Sorgenfalten auf der Stirn geschrieben. Und die verursacht die geplante Schließung der Volksbank-Filiale im Ort. Unmöglich sei das, schimpfte ein älteres Ehepaar. Künftig sei man auf den Bus angewiesen, um Geld abzuheben. Zustimmendes Nicken in der Tischrunde.

Abgehoben wurde dagegen an ganz anderer Stelle. Und zwar hoch in die Luft. Viele Besucher wanderten dafür zwischendurch vom Festplatz auf den Horken. Da gab es ein besonderes Schauspiel zu erleben. Auf einem Feld hinter dem Kittlitzer Berg starteten zwei Ballons. Organisiert hatte die Ballonfahrten Martin Noack – bekannt in der Region als der „Radelmartin“.

Die Entscheidung zur Bankfiliale dagegen lassen sich die Kittlitzer nicht einfach so gefallen. Gegen die Schließung wollen sie sich wehren. Und haben ihr Fest zum Anlass genommen, Unterschriften gegen das anstehende Aus der Filiale zu sammeln. Am Einlass hat ein großes Plakat darauf hingewiesen. Dort lagen auch die Listen aus, die sich schnell füllen. Versehen mit einem Schreiben: „Jede Unterschrift zählt“, war da zu lesen. Mit Ausrufezeichen. Inklusive der Aufforderung, der geplanten Schließung zu widersprechen. „Denken Sie auch an die Zukunft Ihrer Kinder und Enkel auf dem Dorf“, wurde gemahnt. Wer nicht mitmache, dürfe sich im Nachhinein auch nicht beschweren, wenn die Schließung Realität werde. Bereits am späten Sonnabendnachmittag waren es um die 200 Unterschriften, die Besucher vom Schlossfest abgegeben haben. Nicht nur die Betroffenen unterschrieben. Auch einige Gäste von außerhalb, wie an den Adressen zu erkennen war. Am Einlass erzählten die Kartenverkäufer, dass zugleich an anderen Stellen in Kittlitz die Listen seit ein paar Tagen ausliegen und sich füllen. Insofern zeigen sich die Bewohner des nach Löbau eingemeindeten Ortes wehrhaft und wollen nicht hinnehmen, was über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde.

Blickt man auf die Geschichte von Kittlitz zurück, spielte der Brüderlichkeits-Gedanke bereits vor Jahrhunderten eine nicht unwesentliche Rolle und liegt den Alteingesessenen wohl irgendwie im Blut. Der Zusammenhalt nahm im Schloss seinen Anfang. Ein gewisser Karl Gotthelf von Hund und Altenkrotkau – er hießt tatsächlich so – soll einer der führenden deutschen Freimaurer gewesen sein. Er erwarb um 1750 das Anwesen. Schloss Kittlitz wurde zu einem Zentrum der Freimaurerei. So sagt es die Chronik.

Freimaurer treten für fünf Grundideale ein. Neben Brüderlichkeit gehören Toleranz, Humanität, Freiheit und Gleichheit mit dazu. Ein bisschen vom „alten Geist“ weht noch heute durch die Schlossmauern. Denn im Gebäude herrscht jede Menge Leben. Alle Generationen fanden hier ihr Domizil. 2003 wurden die Räume vom Kindergarten neu gemacht. Im Untergeschoss haben die Jüngsten ihren Sitz. Dach, Fassade und Heizung sind vor zehn Jahren erneuert worden. Seit Kurzem wird im Foyer wöchentlich Tango getanzt. Bürgerbüro, Singgemeinschaft, Faschingsclub, Frauenring, das Familien- und Seniorenzentrum und der Heimat- und Schlossverein nutzen die Räume. Burkhard Köhler ist einer der Mitbegründer vom Schlossverein. Er erzählte, dass die Gründung des Vereins mit der Rettung vom Schloss zusammenhänge. „Kurz vor der Eingemeindung nach Löbau war das“, sagt er. „In der Sächsischen Zeitung gab es damals einen Aufruf, dass wir Mitstreiter suchen“, sagte Köhler. Der war erfolgreich. Etwa 30 Engagierte fanden zusammen. Heute hat der Verein über 40 Mitglieder. Als „Haus der Vereine“ und Begegnungsstätte für die Kittlitzer wird das Schloss seither weitergeführt. Maibaumsetzen, Faschingseröffnung oder das Erntedankfest finden statt. Und eben auch das dreitägige Park- und Schlossfest, das von den Einheimischen als einer der Jahreshöhepunkte immer wieder gern angenommen wird.