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Kinderarzt-Notdienst in Not

Für Eltern keine gute Nachricht. Die Kinder müssen jetzt häufiger ins Krankenhaus oder zum Allgemeinmediziner.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Birgit Ulbricht

Großenhainer Land. Das ist ein neuer Einschnitt in der medizinischen Versorgung der Kleinsten im Großenhainer Land. Schon im Jahr 2011 hatten die Kinderärzte die Rufbereitschaft außerhalb der regulären Sprechzeiten erheblich eingeschränkt – als Kinderärztin Gisela Böhme ihre Großenhainer Praxis aufgab. Seitdem gab es Montag, Dienstag und Donnerstag keine kinderärztlichen Notdienste mehr. Es blieb nur der Anruf bei anderen Fachärzten oder beim Allgemeinmediziner.

Betroffen sind nicht nur die Stadt, sondern alle Ortsteile sowie die Umland-Gemeinden Priestewitz, Lampertswalde mit Weißig, Schönfeld, Thiendorf mit Tauscha und Ebersbach. Nun ist selbst das nicht mehr zu halten. „Wir schaffen es einfach nicht mehr“, sagt Kinderärztin Rosemarie Kandzia jetzt gegenüber der SZ. Seit die Schönfelder Kinderärztin Ursula Lenk ihre Praxis Ende 2014 aufgegeben und keinen Nachfolger gefunden hat, mussten sich Rosemarie Kandzia, Christine Spargen und Vera Illig in sämtliche zusätzlichen Zeiten für die gesamte Region teilen. Von den Dauerdiensten fühlen sie sich nun überlastet. Sie haben die Rufbereitschaft seit Juli völlig eingestellt.

Notdienst könnte ganz wegfallen

Eltern kranker Kinder können jetzt nur noch die regulären Notdienst-Sprechzeiten am Freitag von 14 bis 16 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 9 bis 12 sowie 15 bis 17 Uhr nutzen. Das bedeutet: Der Kinderarzt kommt im Notfall nicht mehr nach Hause, und außerhalb dieser Sprechzeiten müssen die Eltern im Notfall den diensthabenden Mediziner über den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst oder die Rettungsleitstelle anfordern. In allen normalen Krankheitsfällen müssen die Eltern mit ihren Kleinen ins nächste Krankenhaus fahren. J

e nach Wohnort im Großenhainer Land können da Riesa, Meißen oder auch gleich Dresden in Betracht kommen. Und es kommt wohl noch schlimmer: Ende dieses Jahres werden wohl auch die Wochenend-Sprechzeiten der Kinderärzte ganz eingestellt. „Wir lassen das auf uns zukommen“, sagt Rosemarie Kandzia auf Nachfrage. In Großenhain hört man allerdings längst anderes. Schließlich ist auch Frau Dr. Kandzia auf Suche nach einem Praxis-Nachfolger.

Die Medizinerin möchte keine Panik machen, bisher gab es noch keine schlechten Erfahrungen mit den Kollegen anderer Fachrichtungen. Wenn allerdings ein kleineres Kind ernstlich erkrankt ist, schicken sie die besonderen Patienten ohnehin in eine Kinderklinik, weil eben bei Babys und Kleinkindern doch andere Dinge zu beachten sind als bei Erwachsenen.

Entsprechend sarkastisch mutet es an, wenn Rosemarie Kandzia anmerkt, man sei ja im Großenhainer Land schließlich „überversorgt“. Eine Anspielung auf die Position der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS). Von den derzeit neun Kinderärzten in Riesa-Großenhain sind laut Sachsens Gesundheitsplanern fünf Mediziner zu viel. Riesa-Großenhain ist vom Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Sachsen „gesperrt“. Das heißt, junge Mediziner, die überhaupt eine Praxis übernehmen würden, werden nicht gefördert – entgegen den vollmundigen Reden der Politik.

Und es bedeutet, das Land ist der Verlierer in der ärztlichen Versorgung – weil es den Kassen egal ist, ob alle genehmigten Praxen in den großen Städten sind. Wenn alle Kinderärzte in Riesa ihren Sitz hätten, müssten auch die Großenhainer dorthin. Es gibt keine sinnvolle Verteilung von Arztsitzen. Das trifft den Großenhainer, aber noch viel mehr den Kraußnitzer oder Böhlaer im tiefen Osten des Großenhainer Landes. Von dort aus kommen schon mal gut 60 Kilometer ins nächste Krankenhaus zusammen. Für eine Tour wohlgemerkt.