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Kinder und die Liebe wirbeln Neustädter Gastroszene durcheinander

Veränderungen bei Devil’s Kitchen, Carlos und V-Cake – nicht nur Geld spielt eine Rolle.

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© Sven Ellger

Von Julia Vollmer

Die Kinder schliefen schon tief und fest. Wenn Daniel Jenschke gegen 22 Uhr nach Feierabend seine Wohnungstür aufschloss, hatte er keine Chance mehr, seinem Nachwuchs noch ein Buch vorzulesen oder ihre Geschichten aus der Kita zu hören. Das soll sich jetzt ändern. Er will künftig mehr Zeit mit seiner Familie verbringen, dafür stellt er sein Leben mit 40 Jahren noch mal komplett um. Er sucht für ein bisheriges „Baby“, seinen Burger-Laden Devil’s Kitchen auf der Alaunstraße einen neuen Betreiber. Im Oktober will er den Tresen gegen den Hörsaal tauschen und Lehramt studieren. Mathematik und Sachkunde für die Grundschule soll es werden.

Susanne Behner und Falko Pietsch ziehen gerade ein.
Susanne Behner und Falko Pietsch ziehen gerade ein. © Sven Ellger

„Mir reichte die wenige Zeit mit meinen Kindern einfach nicht mehr, jetzt soll mein Leben geregelter werden“, erzählt Daniel Jenschke. Er sucht jetzt einen Nachfolger und will seinen Laden komplett verkaufen– inklusive Konzept, Rezepten, Marketing, Personal und Schutzmarke. Die Suche läuft gut, doch leider fehlt den Interessenten bisher das nötige „Kleingeld“, erzählt der Burgerbrater. Er hat einen Wunsch an den neuen Besitzer: Das Devil’s Kitchen soll im jetzigen Stil weitergeführt werden. Der Käufer kann von ihm angelernt und beraten werden. Daniel Jenschke weiß, wovon er spricht: seit nunmehr 11 Jahren ist er im Burger-Geschäft.

Doch die Fast-Food-Fans müssen sich keine Sorgen machen: geschlossen wird nicht. Daniel Jenschke brutzelt so lange weiter, bis er einen Nachfolger gefunden hat. Er würde gern vor der Bunten Republik Neustadt übergeben, damit der Start für den Neuen im Sommer leichter ist.

Auch für das Aus der Weinhandlung „Carlos“ an der Schauburg gibt es private statt wirtschaftliche Gründe. Der Besitzer Karl Blanke will nach fünf Jahren Pendelei nach München endlich mehr Zeit für seine Frau haben. Diese hat eine Professur in der Stadt an der Isar. „Die Fahrerei ging einfach zu sehr an die Substanz.“ An diesem Donnerstag öffnet der Spezialitätenladen ein letztes Mal. Zwei private Käufer erwarben seinen Weinvorrat, eine Neueröffnung des Ladens ist nicht geplant. Dabei lief sein Geschäft immer gut, viele Stammkunden kamen, sagt er. Der 60-Jährige will jetzt in München als Weinberater arbeiten und öfter mal mit seiner Frau einen guten Tropfen genießen.

Dass nach jahrelanger Selbstständigkeit der Akku irgendwann einmal leer ist, weiß auch Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer. „Viele sehnen sich dann nach mehr Sicherheit“, beobachtet Fiehler. Wer eine Woche mit einer Grippe im Bett liegt, verdient kein Geld. Nach einer Woche Urlaub in der Toskana kommt nicht wie bei jedem Festangestellten trotzdem der volle Monatslohn. Bleibt das Café in der Zeit zu, landet nichts in der Kasse. Darauf haben manche Selbstständige irgendwann keine Lust mehr, beobachtet Fiehler. Auch wenn die Familienplanung und damit ein geregeltes Leben ansteht, denken viele um. Dabei bietet gerade die Neustadt nach wie vor gute Chancen für Existenzgründer. Hier könne man mutiger sein als in vielen anderen Vierteln. Wer eine gute Idee hat, könne sich schnell ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten.

Gut gelaufen ist eigentlich auch das vegane Café V-Cake auf der Rothenburger Straße. Doch Inhaberin Sarah Fritzsche wollte nach über drei Jahren Rund-um-die Uhr-Arbeit einfach mal etwas anderes machen. Eine Weltreise ist geplant. Wer auf Kaffee und Kuchen in der Neustadt nicht verzichten kann, muss sich nicht groß umstellen. Das V-Cake eröffnet am 1. April als „Fiete Behnersens V-Cake“ wieder. Übernommen haben es zwei erfahrene Gastronomen. Susanne Behner und Falko Pietsch, die in den vergangenen Jahren zusammen den Burger-Laden „Kantine No. 2“ geleitet haben. „Ich bin ein leidenschaftlicher Kaffeeklatsch-Fan, vor zwei Jahren habe ich das Backen für mich entdeckt“, erzählt die gelernte Köchin Susanne Behner.

Die 30-Jährige kaufte der bisherigen Inhaberin den Laden ab und will das Konzept behalten. Auch künftig wird es nur fleischlose Kost im V-Cake geben, von Torten über Waffeln bis Crêpes – alles ohne tierische Produkte. „Statt Ei verwende ich für die Torten Apfelmus“, sagte die Besitzerin. Neben Süßem stehen auf der Karte auch Pasta und Salate.

Um gar nicht erst Gefahr zu laufen, im Hamsterrad der Selbstständigkeit kaputtzugehen, gibt es schon feste Pläne. Spätestens ab Mai, wenn das Geschäft einen Monat gelaufen ist, soll jeder der beiden Betreiber ein Wochenende im Monat frei haben. Der Montag bleibt Ruhetag. Familie und Freunde sind den beiden sehr wichtig. Susanne Behner will ihrem Sohn auch künftig selbst eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen können.