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Kinder statt Krankengymnastik

Kathrin Buhl ist Klingenbergs neue Tagesmutti. Spätes Mutterglück gab den Ausschlag zur beruflichen Veränderung.

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© Egbert Kamprath

Von Jane Jannke

Klingenberg. Die fünf Bettchen sind schon gerichtet. Über ihnen deutet sich leuchtend grün ein Blätterwald an – so ähnlich müsste sie aussehen, die fiktive Heimat eines ebenso fiktiven Sonnenkäfers. So hat die Ruppendorferin Kathrin Buhl ihr neues Kinderparadies genannt. Bis zu fünf kleine Racker wird die neue Tagesmutti für Klingenberg ab Oktober in ihrem Haus in der Freiberger Straße 51f betreuen. Durchgestartet wäre die 42-Jährige am liebsten schon eher. Doch noch ehe es richtig ernst wurde, hat sie die unsicheren Seiten ihres neuen Jobs kennengelernt. Im Gegensatz zu konventionellen Erziehern sind Tagesmütter und -väter Freiberufler. Als solcher ist Kathrin Buhl darauf angewiesen, dass die fünf Bettchen im Käferschlafzimmer möglichst ausgelastet sind. Vier Kinder waren ihr eigentlich schon sicher. Doch in letzter Minute springen drei davon ab, weil die Eltern doch noch einen Krippenplatz bekamen. Ein herber Rückschlag, der sie fast die Flinte ins Korn werfen lässt.

Das letzte Wort bei der Zuweisung der Kinder hat die Gemeinde. Wer eine Tagespflegestelle möchte, kann zwar vorab zum Erzieher seiner Wahl Kontakt aufnehmen, den Antrag aber muss er bei der Gemeinde stellen. Auch die Gebühren werden an die Kommune überwiesen. Die zahlt dann wiederum eine monatliche Pauschale in Höhe von 536 Euro pro betreutem Kind an die Tageseltern. Zwölf Tagesmütter gibt es nun in Klingenberg – viel für einen Ort mit knapp 7 000 Einwohnern, bestätigt auch Gisa Haase, zuständig für Kitas und Schulen bei der Gemeinde. Doch ihre Dienste sind angesichts steigender Kinderzahlen und aus allen Nähten platzender Kitas unentbehrlich. Zwar ist in Ruppendorf mittelfristig auf dem Gelände des Zentralhofes eine neue Krippe geplant – doch hier stünde zunächst mal der Abriss der Ruine an. Auf Basis der Kitabedarfsplanung entscheidet die Gemeinde, ob eine weitere Tagespflegekraft benötigt wird, um jedem Kind seinen Betreuungsplatz bieten zu können. Neueinsteiger werden mit 5 000 Euro bei der Finanzierung der Ausstattung unterstützt. Doch damit ist es längst nicht getan.

Über ein Jahr lang haben Kathrin Buhl und Ehemann Thomas ihr Souterrain umgebaut. Ein separater Zugang wird von der Straße aus gelegt, Wände herausgenommen, ein neues Bad sowie neue Türen eingebaut. Einen fünfstelligen Betrag haben sie dafür investiert. Entstanden ist ein geräumiges Reich in zartem Vanille-Gelb, mit Schlaf- und Spielraum, Kochnische sowie Zugang zum Garten. Im reifen Alter von 50, wenn Mann für gewöhnlich einen Haken an das Thema Kinder macht, räumt Thomas Buhl sein rustikales Männerreich für die Bedürfnisse von fünf fidelen Knirpsen. „Er hat mich von Beginn an in meinem Vorhaben unterstützt“, verrät seine Frau.

„Das wär noch mal was“

Mit 40 entscheidet sie sich für die späte Verwirklichung eines Jugendtraumes. „Als ich 1990 aus der Schule kam, wollte ich eigentlich mit Kindern arbeiten. Doch die Zeiten waren so unsicher, da nahm ich das, was ich kriegen konnte.“ Sie wird Physiotherapeutin – und kommt dabei an ihre eigenen physischen Grenzen. Die Geburt ihres Sohnes Jeremy, heute fünf Jahre alt, beschert ihr ein spätes Mutterglück. Als sie ihn mangels Krippenplatz zu einer Höckendorfer Tagesmutter gibt, ist das ein Schlüsselmoment. „Da dachte ich mir: Das wär doch noch mal was“, erzählt Buhl, die noch einen erwachsenen Sohn hat.

Kinder in diesem Alter seien einfach wunderbar, schwärmt die Zweifachmutter. „Sie wollen alles wissen und die Welt entdecken – und ich kann ihnen dabei helfen.“ Als die Gemeinde 2013 neue Tageseltern sucht, sieht Kathrin Buhl ihre Chance gekommen – und nutzt sie. Über ein Jahr lang absolviert sie neben ihrer Arbeit die Ausbildung zur Erzieherin nach Maßgaben des Sächsischen Bildungsplanes. Erste Hilfe, pädagogische Lehrinhalte und Strategien – für alles gibt es Vorschriften und Standards in Sachsen. Ihr Testlauf wird eine Pflegestelle in Hennersdorf, die sie im Frühjahr für ein halbes Jahr zur Vertretung übernimmt. „Das klappte super und hat mich in meinen Plänen noch einmal bekräftigt“, so Buhl. Nun fühlt sie sich bereit für den eigenen Betrieb.

Kathrin Buhl setzt künftig auf das Kneipp’sche Konzept, das möglichst viel Bewegung an frischer Luft und im Wasser vorsieht. Ob Wassertreten oder Taulaufen mit nackten Füßchen auf der morgendlichen Wiese vorm Haus – all das stärke die kleinen Körper, ist sich Buhl sicher. Das Essen will sie aus der Höckendorfer Kita-Küche anliefern lassen. „Dort wird frisch und ausgewogen gekocht, das ist mir wichtig“, so die 42-Jährige. Als Erzieherin sieht sie sich selbst locker, aber keinesfalls antiautoritär. „Gewisse Regeln muss einfach jedes Kind verinnerlichen. Sie brauchen diese Rituale, um Vertrauen aufzubauen.“ Zwei Racker wird Kathrin Buhl ab Oktober vorerst betreuen. Freie Kapazitäten hat sie, allerdings nur begrenzt bis Juli 2017. Für die Zeit danach ist sie bereits jetzt voll ausgelastet. Als Überbrückung, etwa bis zum Freiwerden eines Krippenplatzes, übernimmt die neue Tagesmutti aber gern.

Bei Interesse erreichen Sie Kathrin Buhl telefonisch unter 035055 69997 bzw. [email protected]