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Kidnapping erfunden

Ein Großenhainer schickt seinem Partner die Polizei vorbei, weil der auf Handyklingeln nicht reagiert.

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© Symbolfoto/dpa

Von Manfred Müller

Beziehungsprobleme treiben oft die seltsamsten Blüten und landen dadurch manchmal vor Gericht. So auch bei Thomas K. (31) und Norbert P. (19), die nach eigenen Angaben miteinander verlobt sind. Die beiden hatten eine Zeit lang zusammen in Großenhain gewohnt, als der jüngere Partner plötzlich – ohne eine Nachricht zu hinterlassen – verschwand. Thomas K. machte sich Sorgen. Er telefonierte seinem Verlobten hinterher und fand heraus, dass dieser sich im elterlichen Haus in Strausberg aufhielt. Weil P. aber nicht ans Handy ging, verfiel sein Lebensgefährte auf eine seltsame Idee. Er wählte die Notrufnummer der Polizei und gab an, Norbert P. werde von seinem Vater gegen seinen Willen festgehalten und im Elternhaus eingesperrt. Die Ordnungshüter nahmen die Sache ernst, und schon bald klingelte eine brandenburgische Polizeistreife in Strausberg an der Wohnungstür. Dort allerdings mussten sie feststellen, dass der „Vermisste“ keineswegs eingesperrt, sondern ganz freiwillig nach Hause zurückgekehrt war. Er habe den Tod seiner Mutter, die einige Zeit zuvor verstorben sei, nicht verkraftet und deshalb bei seiner Familie sein wollen, gibt der als Zeuge geladene Norbert P. an. Als sein Lebensgefährte anrief, habe er gerade geschlafen und einfach das Klingeln nicht gehört.

Nun sitzt Thomas K. wegen Missbrauchs eines Notrufsignals auf der Anklagebank. Sein Partner habe seit Langem ein gespanntes Verhältnis zu Vater und Brüdern gehabt, führt der Großenhainer zu seiner Verteidigung an. Hin und wieder sei es schon vorgekommen, dass er vom Vater eine Ohrfeige bekam oder tatsächlich in sein Jugendzimmer eingesperrt wurde. Die Familie konnte sich wohl nicht damit abfinden, dass P. mit einem zwölf Jahre älteren Mann zusammenleben wollte. Deshalb habe er sich Sorgen gemacht, als der Gefährte nicht auf seine Anrufe reagierte, so Thomas K. Und eben vermutet, der Vater wolle den Kontakt gewaltsam unterbinden.

Dass man sich Sorgen um seinen Partner macht, sei ja eine löbliche Sache, entgegnet der Staatsanwalt. Dass der Angeklagte aber vor der Polizei eine Vermutung als Tatsache ausgab, gehe nun gar nicht. Die Ordnungshüter hätten da wahrlich Besseres zu tun. Gerade in Brandenburg merkt er leicht süffisant an. Thomas K. reagiert darauf ein wenig starrsinnig und verteidigt seine Vorgehensweise. Das wiederum bringt ihm ein Stirnrunzeln von Richterin Christiane Walther ein. Denn eigentlich hat K. schon einen Strafbefehl von der Staatsanwaltschaft erhalten. 500 Euro soll er für den falschen Alarm zahlen. Der Großenhainer hat dagegen Einspruch erhoben, weshalb die Sache erst vor Gericht gelandet ist. Nun ist es für jemanden, der von Hartz IV lebt, tatsächlich ein Problem, sich eine Summe in dieser Höhe vom Mund abzusparen. Andererseits hat der ehemalige Hausmeister eine stattliche Anzahl von Einträgen im Strafregister vorzuweisen. Diebstahl, Erpressung, Nötigung und Körperverletzung stehen dort zu Buche.

Obwohl sich das jüngste Delikt dagegen geradezu bescheiden ausnimmt, hält sich das Mitleid der Justiz in Grenzen. Thomas P. wird noch einmal gefragt, ob er bereit ist, seine Geldstrafe abzustottern. Als er schließlich zusagt, schließt die Richterin die Verhandlung. Nicht nur die Polizei, auch das Riesaer Amtsgericht haben eigentlich Besseres zu tun.