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Keule im Keller

In der neuen Herkuleskeule haben die Kabarettisten mehr Platz und die Singles im Publikum gute Chancen, sich zu verkuppeln.

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© André Wirsig

Von Rafael Barth

Jedem Anfang wohnt was Altes inne. Die Gäste können in den neuen Räumen der Dresdner Herkuleskeule vieles aus der bisherigen Spielstätte am Sternplatz wiederentdecken. Skulpturen, Plakate, Fotos und Programme: „Das bringen wir alles mit“, sagt Arnim Proft. Er ist Geschäftsführer des Kabaretts, das im vorigen Jahr seinen 55. Geburtstag feierte. Beim Blick auf die historischen Dokumente werden sich viele an heitere Stunden mit politischem Scharfsinn erinnern. Diesem Profil will die Keule treu bleiben, wenn sie nun im Untergeschoss des Kulturpalastes öffnet. „Vom Programm her wird sich hier nichts ändern“, sagt Proft. „Die Stimmung wird dieselbe sein.“

Die Räume aber gestatten der Traditionsbühne einen modernen Auftritt. Wer die Treppe hinab nicht bewältigen kann, nimmt den Fahrstuhl. Am alten Ort, erzählt Proft, wurden Rollstuhlfahrer umständlich per Lift zur Saaletage chauffiert. Den Betrieb im jahrzehntealten Haus konnte die Mannschaft nur dank Sondergenehmigung am Laufen halten.

Im neuen Foyer setzen sich die Wände rot und schwarz ab, das helle Parkett ist aus Roteiche. Vermutlich wird es eine Weile dauern, bis alle Zuschauer wissen, dass sie direkt in der Herkuleskeule ihre Jacken abgeben können – die Garderobe im Erdgeschoss des Kulturpalastes ist den Gästen der Philharmonie vorbehalten.

Die größten Änderungen sind im neuen Saal sichtbar. Die Künstler haben auf der Bühne sowohl in der Länge als auch in der Tiefe anderthalb Meter mehr Platz für Witzattacken. Die Zuschauer werden ihnen dabei besser folgen können. Denn im Gegensatz zum alten Standort gibt es nun keine Nischen und Logen mehr. „Die hätte man so nicht genehmigt bekommen“, sagt Proft. „Die Bauaufsicht lässt da überhaupt nicht mit sich reden.“ Deshalb bietet die Herkuleskeule nun schnurgerade Sitzreihen wie im Kino. Auf den Polsterbänken finden bis zu fünf Personen Platz, niemand muss allein sitzen. Das steigert die Kennenlernchancen für Singles, zumal der neue Saal mehr Menschen fasst als der alte. Die Kapazität steigt von 219 Sitzen auf 244, plus vier Rollstuhlplätze. Ihre Getränke stellen die Gäste statt auf Tischen in Schalen direkt am Sitz ab. Allen garantiert Proft nicht nur eine größere Beinfreiheit. Da die Sitzreihen ansteigen, verspricht der Geschäftsführer: „Selbst auf der letzten Bank hat man einwandfreie Sicht.“

Davon machen sich die Besucher beim SZ-Entdeckertag ein Bild. Bei der Besichtigung des Saals erleben sie die Künstler bei Proben. „Ballastrevue“ heißt das Stück, das die Herkuleskeule noch am alten Standort herausgebracht hat. Am Abend des 1. Mai steht die Premiere im Kulturpalast an. Deshalb die Proben, zu denen Proft anmerkt: „Wir bitten die Gäste, dass sie leise hinten durchlaufen.“

Das privat geführte Kabarett hat etwa die Hälfte der Technik neu gekauft. Einiges wie die Tonanlage oder die Mikrofone sind aus der alten Spielstätte. Von dieser verabschiedet sich das Ensemble am Samstag, also noch vor dem SZ-Entdeckertag. Bevor es mit dem Spielmannszug zum neuen Haus geht, werden die Keulen-Urgesteine Brigitte Heinrich und Michael Rümmler in den Ruhestand geschickt. Gleiches widerfährt der Frau, die fast ein Vierteljahrhundert das urwüchsige Bistro verantwortet hat. Ihr Name scheint aus dem Wörterbuch eines Dichters zu stammen. Sie heißt Sieglinde Blumentritt.

Abschied von der alten Herkuleskeule: 29. April, 18 Uhr, Haus am Sternplatz. Ab 19.30 Uhr von dort Umzug mit Spielmannszug zur neuen Spielstätte im Kulturpalast.