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Kesselsdorf bekommt seine „Krone“ zurück

Der Gasthof war einst Mittelpunkt im Ort, schloss mit der Wende. Nun gibt es einen neuen Besitzer. Mit großen Plänen.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse

Kesselsdorf. Auf der Postkarte, 1900 herum gedruckt, ist viel Trubel zu sehen: Kutschen stehen vor dem Haus, Gäste sitzen im Biergarten oder auf der Veranda. Die Männer tragen dunkle Anzüge, die Frauen Sonntagskleider und Hüte. Der „Gasthof zur Krone Kesselsdorf“ war damals erste Adresse im Ort. Hier wurden Bälle ausgerichtet, Hochzeiten gefeiert, Ausflugsgäste bewirtet. 100 Jahre später ist davon nur ein trostloser Klotz übrig geblieben. Putz fällt von den Wänden und gibt den Blick auf Natursteinmauerwerk frei. Die Türen sind verrammelt, die Fensterscheiben blind.

Früher war sie ein beliebter Treffpunkt, wie das alte Postkartenmotiv um 1900 zeigt.
Früher war sie ein beliebter Treffpunkt, wie das alte Postkartenmotiv um 1900 zeigt. © Archiv Egbert Steuer

Doch nun soll der Gasthof wiederbelebt werden. Im Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wurde vom neuen Eigentümer Heiko Marquardt aus Unkersdorf ein Bauantrag eingereicht, wonach eine komplette Sanierung des Gebäudes geplant ist. So sollen Gaststätte und Biergarten neu entstehen. Dafür wird eine neue Küche angebaut. Im alten Saal wird eine Galerie errichtet, der große Festraum dürfte dann bis zu 100 Personen Platz bieten. Im ersten Obergeschoss sollen Wohnungen entstehen. Auf der Rückseite des Hauses werden Terrassen und Balkone angebaut. Zudem ist geplant, im Erdgeschoss einen Friseursalon zu eröffnen.

In der Stadtverwaltung Wilsdruff ist man ganz begeistert, dass aus dem Schandfleck wieder ein Glanzpunkt werden soll. „Die Planung hat Hand und Fuß“, sagt Bürgermeister Ralf Rother (CDU). Es wäre Klasse, wenn das so umgesetzt würde, schwärmt der Stadtchef. Denn zweieinhalb Jahrzehnte lang war der Gasthof in eine Art Dornröschenschlaf gefallen. Die „Krone“ – wie das Wirtshaus bis zuletzt hieß – war jedoch einst der Mittelpunkt des Ortes.

Aus mit der Wende

Egbert Steuer, Hobby-Heimatforscher in Kesselsdorf, hat zu vielen Gebäuden im Ort in alten Akten geblättert, so auch zum Gasthof. Er fand heraus, dass das Gebäude 1846 von einem Carl Gottlieb Ludewig errichtet und im November desselben Jahres eröffnet wurde. Offensichtlich florierte das Wirtshaus an der Handelsstraße Richtung Freiberg, denn schon 1850 ließ die Witwe des Erbauers ein Hintergebäude mit Ställen und Schlachthaus anbauen. Doch ihre Nachfolger hatten Pech – 1875 brannte der Gasthof ab. Drei Jahre dauerte es, bis er neu errichtet und schrittweise erweitert wurde. Später kam eine Fleischerei im Erdgeschoss hinzu.

1895 ließ der damalige Wirt Wilhelm Eduard Fehrmann im Gartenhaus – einer noch vorn offenen Holzveranda – ein Wandbild anbringen. Das Panorama war fünf Meter lang und zwei Meter hoch und zeigte die Schlacht bei Kesselsdorf 1745. Der Hingucker war die Attraktion des Hauses, mit dem Bild wurde sogar auf Postkarten geworben. Doch spätestens nach 1960, von da an war die „Krone“ Konsum-Gaststätte, nagte der Zahn der Zeit an verschiedenen Gebäudeteilen. „Die Veranda war zuletzt in desolatem Zustand und wurde 1970 abgerissen“, sagt Steuer. Das Panorama sei aber von einem Dresdner Historik-Sammler gerettet worden. Steuer: „Ich habe allerdings nie wieder etwas von ihm oder dem Bild gehört.“

Verschiedene Pächter bewirtschafteten zu DDR-Zeiten den Gasthof. Er war immer noch Mittelpunkt des damals 600 Einwohner zählenden Ortes. Hier fanden Feiern, Vorträge, Versammlungen statt. Gleich mit der Wende kam 1990 das Aus. Die Erben, die die Immobilie zurückbekamen, konnten mit dem Gasthof wenig anfangen. Immerhin gelang es ihnen 2009, einen Trödler und später den Betreiber eines An- und Verkaufs für Kindersachen als Mieter zu finden. Den schleichenden Verfall konnte auch das nicht verhindern. Gerade noch rechtzeitig könnte nun die Rettung kommen. Der neue Eigentümer hat dafür den passenden Beruf: Er ist aus der Baubranche.