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Kellnern in der Neustadt ist ein Knochenjob

Angestellte in der Gastronomie haben oft nur wenige Rechte. Die Basisgewerkschaft BNG will am Donnerstagabend dagegen demonstrieren.

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Von Ulrike Kirsten

Kein Krankengeld, 14-Stunden-Schichten, unausgezahlte Trinkgelder, Bezahlung weit unter Tarif: Die Arbeitsbedingungen in manchen Kneipen und Restaurants in der Neustadt sind für die Basisgewerkschaft Nahrung und Gastronomie (BNG) nicht länger akzeptabel. Regelmäßig suchen Kellner, Köche und Putzkräfte deshalb bei Wolf Meyer von der BNG Hilfe.

Mit einer Demonstration möchte die BNG am Donnerstag Kneipengäste und Gastro-Angestellte für das Thema sensibilisieren. Ihre Forderungen: 8,50 Euro Mindestlohn, bezahlter Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

„Wir möchten dagegen angehen, dass die Arbeitgeber ihre Rechte immer weiter unterlaufen“, sagt Meyer. Bisher gibt es sieben Betriebsgruppen der BNG in Neustädter Kneipen. „In den Läden, wo Angestellte nicht Mitglied der BNG sind, werden wir bisher nicht aktiv.“ Mit der Demo möchte die Gewerkschaft auch für neue Mitglieder werben. Vom „Trotzdem“ aus will sie ab 18 Uhr durch die Neustadt ziehen. Vor der Kultkneipe hat die BNG vier Wochen lang gestreikt.

Der Grund: Inhaberin Johanna Kalex hatte drei angestellten Kellnern gekündigt, weil es im Lagerraum der Kneipe über einen längeren Zeitraum zu Diebstählen gekommen war. Diese sind allesamt Mitglieder der Gewerkschaft. Die ehemaligen Mitarbeiter bestreiten die Vorwürfe. Die BNG will nun gegen Johanna Kalex klagen. „Das gibt uns Anlass genug, auf die bisweilen willkürlichen Entscheidungen der Arbeitgeber in der Gastro-Branche aufmerksam zu machen“, sagt Meyer.

Gäste zeigen Verständnis

Viele Gäste zeigen indes Verständnis für die Mitarbeiter in Neustädter Kneipen. „Als Gast macht man sich oft keine Vorstellungen, wie die Arbeitsbedingungen aussehen. Man geht oft stillschweigend davon aus, dass alles rechtmäßig läuft“, sagt Sebastian Braun. Der 23-Jährige ist regelmäßig im Nachtleben unterwegs. „Wer selbst schon als Kellner gearbeitet hat, weiß, wie anstrengend der Job sein kann. Ich finde es sehr gut, dass die BNG das Problem nun verstärkt thematisieren will.“ Depressionen, Burn-Out und Alkoholismus sind nur einige Folgen der hohen Arbeitsbelastung. Dass Angestellte der Gastronomie in der Öffentlichkeit bisher kaum eine Lobby haben, ist für Wolf Meyer eines der größten Probleme in der Branche.

Gastronom Ferenc Weidel, Inhaber der Cafés Europa, Continental und Eckstein, hält nicht viel vom Wirbel der BNG. Er beschäftigt insgesamt 37 fest angestellte Mitarbeiter, ausschließlich ausgebildete Fachkräfte wie Nadine Pelz. „Ich kann nicht klagen. Ich habe bezahlten Urlaub, kriege mein Geld, auch wenn ich krank bin. Klar ist der Job anstrengend, auch psychisch. Wir werden ziemlich oft beleidigt. Bis zur Rente will ich das deshalb nicht machen“, sagt die 27-Jährige, die deutschlandweit in Restaurants gearbeitet hat. „Hier ist es wirklich gut. In Dresden spricht es sich eben schnell rum, wo die Bedingungen in Ordnung sind.“ Über ihre Erfahrungen in anderen Läden will die ausgebildete Hotelfachfrau aber lieber doch nicht sprechen. Jeder Arbeitgeber müsse selbst wissen, zu welchen Konditionen er seine Angestellten einstellt, sagt Ferenc Weidel. „Das muss man mit dem eigenen Gewissen ausmachen. Heutzutage kann sich keiner mehr ein schlechtes Arbeitsklima leisten. Man findet derzeit kaum noch gute Leute.“

Gerhard Schwabe, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Sachsen (Dehoga), sieht das ähnlich. „Je besser sich ein Chef kümmert, umso mehr arbeiten die Angestellten.“ Die Dehoga handelt alle zwei Jahre neue Tarifverträge mit ihrem Partner, der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), aus. „Dort sind alle Gehälter klipp und klar geregelt.“ Etwa zehn Euro brutto bekommt ein fest angestellter Kellner.

In der Neustadt sind von etwa 100 Kneipen und Restaurants nur rund 15 Mitglied in der Dehoga und damit tarifvertragsgebunden. Der Verband versuche aber ständig Mitglieder zu gewinnen, so Schwabe. Das sei in der Neustadt besonders schwierig, weil die Besitzer der Läden häufig wechseln. „Sicherlich zahlen Arbeitgeber unter dem Mindestlohn. Schwarze Schafe gibt es in jeder Branche. Deshalb sollten sich Angestellte unbedingt gegen schlechte Arbeitsbedingungen wehren.“