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Keiner will das Fallobst

Von den Obstbäumen in der Sächsischen Schweiz fallen die reifen Äpfel, doch kaum einer bückt sich danach. Dabei ist das nicht verboten und teilweise sogar erwünscht.

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© Norbert Millauer

Von Gunnar Klehm und Daniel Förster

Sächsische Schweiz. Täglich spaziert Konstanze Frank an der mit Fallobst übersäten Wiese in Kurort Rathen vorbei, wenn sie mit ihrem Hund am Elbufer Gassi geht. „Das ist doch schade, dass das alles verkommt“, sagt sie. Die Bäume hängen dieses Jahr besonders voll. Die Rathenerin nimmt sich ab und an mal einen Apfel mit. Sie glaubt, dass sich auch Kindergärten oder die Tafel freuen würden, wenn sie mit solchen Früchten versorgt werden würden. Doch statt sie aufzuheben, wird einfach drübergemäht.

Ähnlich ist es mit den Obstbäumen an der Straße von Oberrathen nach Weißig, zwischen Waltersdorf und Hockstein oder im Bielatal. Überall sind es alte Apfelbäume, die teilweise seit Jahrzehnten dort die verschiedenen Vegetationsperioden überdauert haben. Doch hört man insbesondere die Alten reden, erfährt man, dass es sich erst in den letzten 20 Jahren so entwickelt hat, dass kaum noch jemand Früchte von wilden Obstbäumen erntet. Liegt das am Überfluss? Gibt es keine Bedürftigen mehr? Oder drohen gar strenge Strafen, wenn man fremdes Obst aufliest?

Mundraub ist nicht verboten. Anders sieht es aus, würde man mit einem Fahrzeug vorfahren, alle Früchte ernten und damit verduften. Das wäre Diebstahl, auch wenn das Gelände nicht eingezäunt ist, auf dem die Bäume stehen. Trotzdem wünschen sich sogar manche Eigentümer, dass ihre Bäume von anderen abgeerntet werden würden.

In Rosenthal-Bielatal wünscht sich Bürgermeister Gebhard Moritz schon lange Baumpaten. Die könnten sich kostenlos die Äpfel holen, sollten im Gegenzug nur darauf achten, dass die Ernte sachgemäß erfolgt, überhängende Äste mal abgeschnitten und marode Bäume gemeldet werden. Bis jetzt hat sich noch niemand bereit erklärt. Möglicherweise haben alle mit dem Obst im eigenen Garten genug zu tun.

Die Streuobstwiese an der Elbe in Kurort Rathen gehört dem Verein Lebenshilfe. Wer sich Äpfel holen möchte, darf das auf Anfrage in der Geschäftsstelle in Pirna. Die behinderten Klienten damit zu beschäftigen, sei rechtlich schwierig.

Anders könnte das im nächsten Jahr werden, wenn sich die Jugendlichen im benachbarten Kinderheim der Lebenshilfe eingelebt haben. Dann entwickeln sie vielleicht eigene Ideen, was man mit den Äpfeln anfangen kann. Konstanze Frank wird das jedenfalls interessiert beobachten.