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Keine Lösung für die Milch

Der Preis für das Lebensmittel ist niedrig wie nie. Das stellt auch den Daubitzer Gerd Wenzel vor Probleme.

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© André Schulze

Von Sabine Ohlenbusch

Das hätte Gerd Wenzel nicht für möglich gehalten. Der Milchpreis ist im Mai erneut gefallen, von 23 auf 20,75 Cent. „Zu Beginn des Jahres haben wir gedacht, dass der Milchpreis sich eher erholt, als weiter zu sinken“, sagt der Vorstand der Schlesischen Agrargenossenschaft Daubitz. Aber jetzt ist es noch schlimmer gekommen. Gerade noch über 20 Cent: Das ist ein trauriger Rekord für die Milchbauern. Gerd Wenzel rechnet vor, dass Milch in der Produktion 35 Cent pro Liter kostet. Und das auch nur in einem gut aufgestellten Betrieb wie Daubitz und bei niedrigen Löhnen von 10 bis 12 Euro pro Stunde für die Mitarbeiter. „Für weniger kann niemand Milch herstellen“, ist Gerd Wenzels Einschätzung. Und wenn das Gelände schwierig ist, wie bei Hanglagen, gerät die Kalkulation schon wieder durcheinander.

Aber auch im besten Fall ist die Differenz von 15 Cent pro Liter deutlich. Dieser Betrag geht also nicht einmal vom Gewinn der landwirtschaftlichen Betriebe ab, sondern lässt diese fast auf der Hälfte der Kosten sitzen. Seit zwei Jahren bewegt sich der Preis nun schon unterhalb der Produktionskosten. Das hat natürlich Konsequenzen für die Höfe. Wenn nur die Hälfte der Kosten gedeckt sind, geht das eine gewisse Zeit gut, dann geht es zuende, so die Prognose von Gerd Wenzel.

Zwei Gründe sieht er für den niedrigen Milchpreis, dass es zu viel Milch auf dem Markt gibt – und das in ganz Europa. Deutschland als größter Milcherzeuger hat nach Angaben der EU-Kommission im Januar und Februar 2016 5,4 Millionen Tonnen auf den Markt gegossen. Das ist ein Anstieg der Milchmenge von fast acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Als zweiten Grund nennt Gerd Wenzel die Übermacht des Einzelhandels. Wenn eine Megafusion wie die zwischen Edeka und Tengelmann gegen das Verbot des Kartellamtes von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel durchgesetzt wird, könne er sich nur an den Kopf fassen, sagt Gerd Wenzel. Aber hier kann die Landwirtschaft nichts tun. Dabei haben viele Betriebe und auch die Bauernverbände begrüßt, dass zum 1. April 2014 die Milchquote abgeschafft worden ist. Diese legte fest, wieviel Milch jedes EU-Land produzieren durfte.

Als sie weggefallen ist, habe viele landwirtschaftliche Betriebe begonnen, auszubauen und immer mehr zu produzieren. „Viele, die investiert haben, stecken jetzt in den Ratenzahlungen“, erzählt Gerd Wenzel. Teilweise bekämen diese Bauern die neuen Ställe nicht einmal voll, weil sie kein Geld für die Tiere übrig haben. Einige sollen angeblich bereits ihr Land verkaufen – und damit ihre Produktionsgrundlage.

Wie stark der einzelne Betrieb betroffen ist, kommt darauf an, wie sehr er auf Milch setzt, erklärt Gerd Wenzel: „Das Land unserer Genossenschaft zum Beispiel besteht zu mehr als der Hälfte aus Grünflächen.“ Die Agrargenossenschaft Daubitz zieht rund ein Drittel ihrer Einnahmen aus dem flüssigen Nahrungsmittel. Damit bildet die Michviehwirtschaft einen Schwerpunkt. Weitere Felder sind Biogas, der Pflanzenanbau und Ausgleichszahlungen.

Auch aus einem anderen Grund findet Gerd Wenzel bedenklich, dass viele Höfe verschwinden könnten: Die Landwirte sind für einen großen Teil der Landschaftspflege in dünn besiedelten Gebieten verantwortlich. „Wenn wir unsere Wiesen nicht mehr pflegen, wird alles verwildern.“ Diesen Einwand hat der Gemeinderat bei einer der vergangenen Sitzungen des Rietschener Rates vorgebracht. Aber dies ist natürlich ein Nebenschauplatz.

„Keiner weiß eine Lösung“, ist der düstere Schluss, den Gerd Wenzel aus der Situation zieht. Da dürften auch die am Dienstag angekündigten Finanzspritzen der Bundeskanzlerin nicht auf Dauer helfen. Auch die Bauernverbände seien lange nicht auf die Milcherzeuger eingegangen. „Sie hätten schon lange etwas unternehmen müssen“, hält er ihnen vor. Die Milchmengen müssten reduziert werden. Auf die Politik mag er nicht mehr vertrauen. Auch wenn der nächste Milchgipfel von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt am 25. Mai schon feststeht: Die sächsischen Bauern wollen am 1. Juni zum Tag der Milch erneut demonstrieren.