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Keine Flüchtlinge im Schullandheim

Im Schullandheim Neukirch sollte eine Unterkunft für Minderjährige entstehen. Doch der Gemeinderat lehnt das ab.

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© Wolfgang Schmidt

Von Ingolf Reinsch und Katharina Gust

Ob ins Neukircher Schullandheim Flüchtlingskinder einziehen, die ohne ihre Eltern nach Deutschland kommen, ist noch nicht entschieden. Am Montag sah es so aus, dass aus dem Vorhaben wahrscheinlich nichts wird. Denn der Verein der Schullandheime hat sein Angebot zurückgezogen, dafür das Haus dem Landkreis zur Verfügung zu stellen. „Wir sind nach wie vor bereit, uns dieser Aufgabe zu stellen. Wir wollen aber nicht über die Gemeinde hinweg entscheiden“, sagte Andreas Stelzmann, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Vereins der Schullandheime im Landkreis Bautzen, auf Anfrage der SZ.

Der Neukircher Gemeinderat sprach sich auf einer internen Sitzung einstimmig gegen ein Heim für minderjährige Flüchtlinge im Ort aus. Auch der neue Bürgermeister Jens Zeiler (CDU), erst seit einer Woche im Amt, trägt diese Position mit. „Wir brauchen das Schullandheim für unsere Kinder. 400 Besucher in diesem Jahr zeigen den Bedarf“, sagte Jens Zeiler am Montag auf Anfrage der SZ. Doch die Probleme im Ort liegen tiefer. In Neukirch gibt es bereits ein Asylbewerberheim mit 90 Plätzen. „Wir stellen uns dieser Herausforderung und wollen diese Aufgabe richtig machen“, sagt Jens Zeiler. Heißt: Ein Heim in der 5 000 Einwohner-Gemeinde ist aus Sicht des Gemeinderates genug; ein weiteres, wenn auch als Kinderheim geführt und mit einem Asylbewerberheim nicht vergleichbar, soll es nicht geben. „Die Stimmung im Ort ist angeheizt“, sagt der Bürgermeister. Skepsis, auch offene Ablehnung erwachsen dabei auch aus der Erfahrung heraus. Der Neukircher Gemeinderat hatte sich immer wieder für die Aufnahme von 50 Asylbewerbern ausgesprochen; der Landkreis wollte ursprünglich 140 Flüchtlinge im Ort unterbringen und reduzierte dann diese Zahl auf 90. Laut Kreisverwaltung die Untergrenze, um ein Heim wirtschaftlich betreiben und eine soziale Betreuung sicherstellen zu können.

Viele Kinder und Jugendliche kommen

Neben der Aufnahme einer wachsenden Zahl von Asylbewerbern steht der Landkreis im nächsten Jahr vor einer neuen Herausforderung. Denn auch Kinder und Jugendliche, die ohne Begleitung Erwachsener nach Deutschland kommen, sollen ab Januar entsprechend der Einwohnerzahl auf die Bundesländer und Landkreise aufgeteilt werden. Damit braucht der Kreis entsprechende Möglichkeiten, um Minderjährige unterzubringen. „Momentan haben wir vier unbegleitete Asylbewerberkinder in Kindereinrichtungen im Landkreis untergebracht“, sagte Kreis-sprecher Gernot Schweitzer am Montag.

Das Landratsamt hatte sich vor mehreren Wochen an den Verein der Schullandheime gewandt. „Wir haben im Vorstand darüber gesprochen. Der Vorstand stimmte zu, bei Bedarf das Schullandheim in Neukirch zur Verfügung zu stellen“, sagte Andreas Stelzmann. Das Heim in Sohland schied aus, weil es ab Oktober saniert wird. Die anderen Schullandheime in Bautzen-Burk, Halbendorf und Grüngräbchen werden mehr nachgefragt als das Neukircher Schullandheim. Bis Ende November haben nur drei Schulklassen und an vier Wochenenden Privatpersonen in Neukirch gebucht. Sie könnten ohne Weiteres an ein anderes Haus umgebucht werden, sagt Andreas Stelzmann.

Immobilieneigentümer des Schullandheimes Neukirch ist der Landkreis. Der Verein der Schullandheime nutzt das Haus auf Grundlage eines für 99 Jahre abgeschlossenen Erbbaupachtvertrages. Damit kann er allein entscheiden, ob er das Haus vermietet. „Wir wollen keine Demonstrationen vor dem Haus und keine späteren Übergriffe aufs Haus“, begründet Andreas Stelzmann den Rückzieher jetzt – offenbar nach einer emotional geführten Debatte im Gemeinderat und aufgrund von Reaktionen, die ihn auf Facebook und per Mail erreichten. Aus seiner Sicht kann das Problem nur gelöst werden, wenn sich Vertreter von Kreis, Gemeinde und Schullandheim gemeinsam an einen Tisch setzen. Der Verein würde das Heim selbst betreiben – „definitiv“ nur für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen, versichert der Geschäftsführer. Bei einer anderen Nutzung würde man den Vertrag sofort kündigen. „Egal, ob es ausländische oder deutsche Kinder sind, es bleiben Kinder“, sagt Andreas Stelzmann.

Asylgerüchte in Neustadt

Auch in Neustadt gibt es Diskussionen um ein neues Asylbewerberheim. Spekuliert wird, ob dafür die ehemalige Förderschule in Polenz umfunktioniert werden soll. Auch andere Schulen seien im Gespräch gewesen. Bürgermeister Peter Mühle hat in der letzten Stadtratssitzung mit diesen Spekulationen nun aufgeräumt. „Ich kann das nicht bestätigen“, betonte er. Aufgekommen seien die Gerüchte im Zuge der geplanten Schließung des Asylbewerberheimes an der Kirschallee in Langburkersdorf. Bis Ende Oktober müssen die Bewohner ausziehen. Dann endet der Betreibervertrag. Der Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge muss die Flüchtlinge bis dahin anders unterbringen. Dass Neustadt an diesem Datum, dem 31. Oktober 2015, festhält, hat Peter Mühle noch einmal bekräftigt. „Es bleibt dabei.“

In Neustadt würden aktuell (Stand 24. August 2015) insgesamt 188 Asylsuchende leben. Davon 134 in der zentralen Einrichtung in Langburkersdorf. Die Kommune hätte 78 Flüchtlinge in dezentralen Wohnungen im Stadtgebiet unterbringen können. Im Kinderheim würden zudem sechs Minderjährige leben, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind.

Bürgermeister Peter Mühle will beim Thema Asyl eine größtmögliche Transparenz schaffen. „Ich werde die Einwohner über neue Entwicklungen so schnell wie möglich informieren“, kündigt er an.