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Kein Skandal im Sperrbezirk

Barbara Lange fordert Gleichbehandlung für bordellähnliche Stätten. Dazu gibt es bald sogar eine neue Verordnung.

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© Archiv

Von Ralph Schermann

Einen Skandal im Sperrbezirk, wie ihn die Spider Murphy Gang besang, wird es in Görlitz nicht geben. Doch bald wird es schwierig bis aussichtslos für manche Dame des horizontalen Gewerbes, ihre Dienste in der Innenstadt anzubieten: In nächster Zeit erwartet wird auch in Görlitz eine von der Landesdirektion Sachsen vorbereitete Sperrbezirksverordnung für alle Städte des Freistaates über 50 000 Einwohner. In kleineren Orten ist jegliche Prostitution schon längst verboten.

In Görlitz machte vor fünf Jahren Barbara Lange Schlagzeilen. Sie betrieb nicht wie andere seit Jahrzehnten versteckt im heimischen Wohnzimmer oder als Hotelbesuch Prostitution, sondern bot dafür ein ganzes Haus an – den Klosterplatz 17. Vertreter von Kirche und Schulen nahmen daran ebenso Anstoß wie anonym Anzeigen erstattende „Kolleginnen“. Barbara Lange stritt vehement ab, ein Bordell zu betreiben, arrangierte alles über den gemeinnützig anerkannten Verein „Hautnah“. „Heute weiß ich, dass das Wortklauberei war, es ist Prostitution“, bekennt Lange.

Weil baurechtliche Genehmigungen für eine solche Nutzung des Klosterplatz 17 fehlten, untersagte die Stadtverwaltung das Wirken des Vereins an dieser Stelle, und das Verwaltungsgericht gab ihr Recht. Barbara Lange mietete eine Villa auf der Rosa-Luxemburg-Straße. Als Umwidmung zu gewerblicher Nutzung wurde teuer investiert in die Sicherheit, auch an Forderungen des neuen Prostituiertenschutzgesetzes mit getrennten Sanitärbereichen gedacht. „Ich habe dazugelernt und will alles richtig machen“, betont Barbara Lange: „Denn ich bin ja froh, legitim arbeiten zu können.“

Das sieht so aus, dass ihr Verein Zimmer an Prostituierte vermietet. Die Damen wirbt Barbara Lange über eine spanische Agentur, die sich für Frauen aus exotischen Ländern um EU-Arbeitserlaubnisse kümmert. Nur eins blieb wie beim Klosterplatz: Kontrolleure der Steuerfahndung und des Zolls klingeln in kurzen Abständen. Einer von ihnen verrät: „Da ist alles in Ordnung, und es kommen erstaunlich viele Besucher aus anderen Bundesländern, der Schweiz und Österreich.“ Für Barbara Lange logisch: „Eine markante Stadt wie Görlitz, die auf Touristen setzt, braucht auch uns.“

Umso mehr ärgert sie sich darüber, dass „die Stadt mich vom Klosterplatz entfernt hat, andere aber im Zentrum gewähren lässt. Ich fordere Gleichbehandlung.“ Im Rathaus ist diese Forderung bekannt, auch liegen mehrere Anzeigen gegen Prostitutionsstätten vor. Der Bürger findet Einschlägiges in Anzeigenblättern und im Internet, findet Wohnungsprostitution ebenso wie bordellähnliche Betriebe. Doch auch, wenn „Annikas Ecke“ oder das „Görlitzer Erotik-Team“ nicht zu übersehen sind, wenn auf Krölstraße, Lindenweg, Löbauer Straße, Brautwiesenstraße, Jauernicker Straße und vielen anderen Standorten sündige Adressen locken, tut sich die Verwaltung schwer.

„Das stimmt so nicht“, sagt die Görlitzer Ordnungsamtsleiterin Silvia Queck-Hänel: „Alle Anzeigen werden gewissenhaft überprüft. Das verlangt aber verschiedene Untersuchungen und Beweisführungen, die über eine pauschale Werbung hinausgehen.“ Hartmut Wilke, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung, erklärt Grundsätze: „Erstens sind bordellähnliche Betriebe bau- und stadtplanungsrechtlich anders zu betrachten als Wohnungsprostitution. Zweitens unterliegt Prostitution als solche nicht der Gewerbeordnung, ein bordellähnlicher Betrieb aber schon.“ Die Ordnungsamtsleiterin: „Ich verstehe, dass sich Frau Lange subjektiv ungleich behandelt fühlt, aber das ist nicht der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung gibt es kein Recht auf Gleichbehandlung im Unrecht.“

Mit der unmittelbar bevorstehenden Sperrbezirksverordnung sind solche Diskussionen aber ohnehin vom Tisch. Dann gibt es statt juristischer Verästelungen eine klare Vorschrift, deren Kontrolle und Durchsetzung schlagartig für die Ordnungsbehörden bequemer wird. Zwar wird darin die Stadt Görlitz im Gegensatz etwa zu Dresden oder Plauen keinen konkreten Sperrbezirk vorgeschrieben bekommen, dafür aber zwei andere Auflagen: Zum einen wird Straßenprostitution generell unter Strafe gestellt, zum anderen ist dann Prostitution im Umkreis von 200 Meter um schützenswerte Einrichtungen untersagt. Dazu zählen Schulen, Kindertagesstätten und Spielplätze ebenso wie Kirchen und Einrichtungen der Altenpflege. Damit dürfte sich im Görlitzer Stadtzentrum kaum eine Stelle finden, die von dieser Bannmeilen-Regelung nicht erfasst würde.

„Prostitution wird sich, wo baurechtlich zulässig, an den Stadtrand verlagern“, vermutet Silvia Queck-Hänel. Dorthin, wo Barbara Lange längst angekommen ist.