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Kein Einziger hält sich an dieses Schild

Im Mühlfeld in Paulsdorf wohnen viele Familien. Eine Verkehrszählung brachte verblüffende Ergebnisse.

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© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Raser im Mühlfeld, dieses Problem beschäftigt die Anwohner seit Jahren. Auf seiner jüngsten Sitzung diskutierte der Ortschaftsrat Paulsdorf das Thema wieder. Ihm lagen neue Zahlen von der Stadtverwaltung vor. Demnach hält sich im Mühlfeld kaum ein Autofahrer an Recht und Ordnung. Das hat eine neue Erfassung des Verkehrs in dem Wohngebiet ergeben.

Das gesamte Mühlfeld ist als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen, im Volksmund auch Spielstraße genannt. Direkt nach der Abzweigung von der Talsperrenstraße steht das blaue Schild. Damit gelten in dem Gebiet strikte Vorgaben für die Autofahrer. Kinder dürfen dort überall auf der Straße spielen und die Autos nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Über diesen Begriff kann man diskutieren. Die Juristen sind sich darüber aber einig. Damit ist eine Geschwindigkeit von vier bis sieben Stundenkilometer vorgeschrieben, informiert Marcel Hänchen, der Ordnungsamtsleiter der Stadt Dippoldiswalde.

Die Stadt besitzt ein Verkehrszählgerät, das aber mehr kann als nur zählen. Der Kasten erfasst die vorbeifahrenden Autos, ihre Geschwindigkeit, den Zeitpunkt, an dem sie vorbeifahren, und die Länge. Aus der Länge berechnet der Apparat verschiedene Fahrzeugklassen wie Motorrad, Pkw, Transporter oder Lkw. Es ist aber kein Messgerät, das Autos individuell erfassen kann, also kein Blitzer.

Diesen Zählkasten haben die Mitarbeiter des Ordnungsamts im Juni an zwei Stellen im Mühlfeld aufgestellt mit einem verblüffenden Resultat: Nicht ein Autofahrer hat sich an die Schrittgeschwindigkeit gehalten. Der städtische Verkehrszählapparat hat insgesamt knapp 3 000 Fahrzeuge erfasst. An einer Stelle lag die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 31, an der anderen bei 33 Stundenkilometer. Das ist über viermal so schnell wie erlaubt. Die Langsamsten sind zwischen 15 und 20 Stundenkilometer gefahren, also schon einmal das Doppelte des erlaubten Tempos. Das war aber auch nur eine Minderheit von 13 Prozent der erfassten Autos. Die Mehrzahl war deutlich zu schnell unterwegs. „Erschreckend“, kommentiert Hänchen diese Ergebnisse.

Das Mühlfeld ist ein dicht besiedeltes Wohngebiet, in dem durchaus auch Kinder unterwegs sind. Das Wohngebiet ist vor über 25 Jahren gebaut worden. „Aber es ist jetzt nicht überaltert, sondern es sind immer wieder junge Familien hergezogen. Teilweise sind auch schon die Enkel der ersten Bewohner hier auf der Straße“, sagt Paulsdorfs Ortsvorsteher Mario Kretschmann (Freie Wähler). Es gibt also guten Grund, in diesem Wohngebiet vorsichtig zu fahren. Andererseits ist das Mühlfeld keine Durchgangsstraße. Hier sind also nur die Anwohner unterwegs, verschiedene Lieferanten und Besucher. Die Mehrzahl der Autofahrer auf der Straße müsste also wissen, welche Regeln hier gelten und sich im Interesse der eigenen Familie oder der Nachbarn daran halten.

Der Ortschaftsrat und das Rathaus hoffen nun, dass sie durch die Veröffentlichung der Verkehrszählung einen Bewusstseinswandel und folglich ein niedrigeres Durchschnittstempo im Mühlfeld erreichen. Sollte das auch nichts nützen, könnten härtere Bandagen kommen. „Die Stadt Dippoldiswalde behält sich vor, künftig stichprobenartige Verkehrsmessungen im Mühlfeld durchzuführen“, teilt Hänchen mit. Und Messungen sind etwas anderes als Verkehrszählungen. Zählungen bemerkt ein Autofahrer im Alltag gar nicht. Aber bei einer Messung kann es blitzen, und hinterher kommen dann Briefe nach Hause mit teuren Fotos.