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Kein Aufnahmestopp bei den Tafeln

In Riesa und Gröditz werden auch viele Ausländer versorgt. Probleme wie in Essen gibt es dort nicht.

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© Lutz Weidler

Von Stefan Lehmann und Britta Veltzke

Riesa. Vor der Eingangstür der Riesaer Tafel geht es an diesem Morgen eher bedächtig zu. Alle paar Minuten kommt jemand vorbei, zeigt seine Berechtigungskarte vor und gibt vier Tüten an der Theke ab, die die Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes dann befüllen. Friedlich geht es hier zu – anders als offensichtlich bei der Tafel in Essen. Die hatte für Schlagzeilen gesorgt, weil sie künftig keine Ausländer mehr aufnehmen will. Ein Teil von ihnen habe sich danebenbenommen, außerdem sei ihr Anteil zu groß geworden, heißt es.

Von den Problemen in Essen hat er gehört, erzählt ein Mann mit langem, ergrautem Haar, der gerade die abgeholten Lebensmittel aus den vier Beuteln umpackt. „Aber hier hat’s noch nie gerummst“, sagt er. „Da stellt sich jeder ordentlich in der Schlange an.“ Etwas anders dagegen die Eindrücke einer Frau mit kurzen, blonden Haaren. „Persönlich erlebt habe ich es noch nicht, ich gehe noch nicht lange zur Tafel.“ Allerdings sei es freitags, wenn insgesamt mehr Betrieb ist, schon ab und zu vorgekommen, dass sich Asylbewerber vorgedrängelt haben, einmal wohl auch jemand ohne den Berechtigungsschein hergekommen sei. So schlimm wie von der Essener Tafel beschrieben, sei die Stimmung aber bei Weitem nicht, winkt die Frau ab.

„Schwarze Schafe gibt es immer wieder, unabhängig von Religion oder Herkunft“, sagt Silke Kohl, die Leiterin der Riesaer Tafel. Schlimme Vorfälle habe es noch nie gegeben. Der Anteil bedürftiger Ausländer sei auch gering. Von den insgesamt rund 480 Bedarfsgemeinschaften seien zwischen 25 und 30 Prozent nicht deutsch. „Das sind zu 90 Prozent Familien mit Kindern“, erklärt Kohl. Die wüssten sich zu benehmen. „Die Kinder sagen schon artig ‚Bitte’ und ‚Dankeschön’ auf Deutsch.“ Hausverbote habe sie jedenfalls noch nie verteilt, seit sie 2005 die Stelle in Riesa angetreten hat. Anders als die Essener Tafel sei in Riesa auch die Spendensituation gut. 35 feste Sponsoren zählt die Tafel des DRK, dazu kommen laut Silke Kohl teilweise sogar noch private Spenden – etwa durch Kleingärtner, die einen Teil ihrer Ernte abgeben. Das Einzige, das sich mit dem Zuzug der Asylbewerber für die Tafel verändert hat: Nicht jeder esse die Wurst aus Schwein, die die DRK-Mitarbeiter in die Tüten packen. Da sei es schon vorgekommen, dass ein Asylbewerber nach ein paar Minuten zurückgekommen sei und das Fleisch zurückgegeben habe.

ASB musste auf den Zuzug reagieren

Den Aufnahmestopp bei der Essener Tafel möchte Silke Kohl nicht bewerten. „Ich kenne die Vorfälle dort nicht.“ So sieht es auch Andreas Krüger vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), der die Gröditzer Tafel betreibt. Reibereien zwischen deutschen und ausländischen Nutzern habe es auch in Gröditz noch nicht gegeben. Aktuell haben 31 Asylbewerber einen Berechtigungsschein für die Gröditzer Tafel. „Im Vergleich zu mehr als 100 deutschen Anspruchsberechtigten fallen die kaum ins Gewicht“, so Krüger. Zu der Zeit, als extrem viele Flüchtlinge angekommen sind, sei das anders gewesen. „2015 gab es durch den Zustrom so viele Anspruchsberechtigte, dass wir mit unserer Logistik überfordert waren. Essen gab es immer genug, aber Räume und Lager haben nicht mehr ausgereicht.“ Daher gab es in Gröditz zeitweise nur noch einen Ausgabetag in zwei Wochen. „Aber das hat sich wieder geglättet. Inzwischen geben wir wieder einmal in der Woche aus“, sagt Andreas Krüger. – Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) erklärt, eine Maßnahme wie in Essen könne nicht von Dauer sein. „Eine solche Entscheidung kann immer nur eine zeitlich begrenzte Zwischenlösung sein. Und die Verantwortlichen sollten schleunigst auf Abhilfe dringen, damit nicht ein sicher falscher Eindruck entsteht“, so Mackenroth, der gleichzeitig Schirmherr der Riesaer Tafel ist. Von getrennten Essenausgaben für Deutsche und Nicht-Deutsche hält er wenig. „Prinzipiell bin ich für Gleichberechtigung, sonst schürt es nur böses Blut.“

Von den am Mittwochvormittag befragten Nutzern der Riesaer Tafel jedenfalls kommen keine solchen Forderungen. Ein Mann mit Schnauzbart befürwortet zwar das Verbot Essener Verbot. „Man muss sich nun mal an die Regeln halten, und wer das nicht macht, muss mit den Konsequenzen leben.“ In Riesa hält er so einen Schritt aber ebenfalls nicht für nötig. Und überhaupt sei das alles doch eher ein wirtschaftliches und politisches Problem. „Wenn die Sozialhilfe höher ausfallen würde, bräuchten wir die Tafeln nicht – dann könnten wir auch ganz normal einkaufen gehen.“