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Kein Ast mehr für den Zeisig

Unternehmer Felix Juhl lässt auf seinem Grundstück in Löbau Bäume fällen. Den Anwohnern fehlt das Vogelgezwitscher.

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© Markus van Appeldorn

Von Markus van Appeldorn

Wenigstens ein Baum ist stehen geblieben. So halb jedenfalls. Das ist insofern praktisch, weil ein Anwohner der Pestalozzistraße in Löbau so noch einen Platz gefunden hat, wo er seinen Ärger formulieren kann. Mit himmelblauem Geschenkband ist die Protestnote am Baumstamm fixiert: „BITTE AUFHÖREN!“ steht darauf. Im weiteren Text schreibt der unbekannte Autor als Vertreter eines Nachbarschafts-Kollektivs, dass man gerne weiter ins Grüne schauen wolle statt auf alte Garagen und man Vogelgezwitscher dem Verkehrslärm vorziehe. „Auf diesem Baum sitzen oft Zeisige!“, lässt der Autor wissen. „Außerdem verbessern Bäume die Luft. Abgase haben wir hier genug!“

Diesen Protest-Zettel hängte ein Anwohner auf.
Diesen Protest-Zettel hängte ein Anwohner auf. © Markus van Appeldorn

Der Zettel ist mittlerweile verschwunden. Genau wie vier Bäume, die bis vor Kurzem in der Nachbarschaft des verbliebenen Baumes standen und vor wenigen Tagen der Kettensäge zum Opfer fielen. Nun ist die von den empörten Nachbarn vermisste Aussicht nicht die einer Hotelsuite mit Meerblick wie aus dem Reisekatalog. Wohl aber dienten die gefallenen Bäume bei voller Blüte als grüne Sichtbarriere auf das Grundstück voller Garagen, die noch aus der Zeit der DDR stammen. Von oben sehen sie wahrscheinlich noch trauriger aus als auf Straßenniveau. Aber genau dieser Umstand war es, der entscheidend zum Fällen der Bäume beitrug. Eigentümer des Grundstücks ist Felix Juhl, Inhaber der Löbauer Firma Druckpol, die erst vor wenigen Wochen ihren neuen Firmensitz am Neumarkt bezog. Auf die Fällung zweier Japanischer Zierkirschen vor seinem Laden im Zuge der Kreisverkehr-Bauarbeiten reagierte der Unternehmer noch mit einem durchaus kreativen Protest. Er beklebte die Fenster seines Ladens mit einer Folie, auf der blühende Japanische Zierkirschen abgebildet sind. „Ich wollte darauf reagieren, ohne irgendjemandem die Schuld an der Abholzung zu geben“, sagte er im Oktober der SZ und: „Das ist traurig, dass die weg sind. Viele haben sich daran gewöhnt, dass am Neumarkt Kirschen stehen.“

Bäume schadeten Garagen

Den Bäumen auf seinem eigenen Grundstück trauert er dagegen kein bisschen nach: „Das waren wildgewachsene Ahornbäume“, sagte er der SZ jetzt auf Nachfrage. Die hätten den Nachteil, dass sie sehr intensiv Samen und auch Totholz abwerfen. „Das landete alles auf den Garagen, hat den Dächern zugesetzt und regelmäßig Regenrinnen verstopft“, sagt Felix Juhl. Die Bäume hätten also über Jahre hinweg die Bausubstanz angegriffen. Den noch verbliebenen Baum will er dagegen stehen lassen.

In der nächsten Zeit will Felix Juhl die alten Garagendächer sanieren. „Später werde ich auch wieder neue Bäume dort pflanzen“, verspricht er – allerdings keinen Ahorn mehr. Die Maßnahme habe jetzt keinen Aufschub geduldet, weil am 28. Februar die Baumfällperiode ende. Außerdem stünden im Laufe des Jahres Baumaßnahmen am Nachbargrundstück an. Daher habe er auch Platz für eine Bauzufahrt zu diesem Grundstück schaffen müssen, erklärt der Löbauer Unternehmer.

Die Baumfällperiode ist in Paragraf 39 des Bundesnaturschutzgesetzes geregelt und dient insbesondere dem Schutz wild lebender Tiere – also zum Beispiel Vögel, die in Bäumen nisten. Demnach ist es zwischen dem 1. März und dem 30. September verboten, Bäume, die außerhalb des Waldes stehen, zu beseitigen.

Ausnahmen gelten nur bei behördlich angeordneten Maßnahmen oder um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Baum krank ist oder nach einem Blitzeinschlag eine Gefahr darstellt.